UMWANDLUNGEN IN DIE GENOSSENSCHAFT
Des Kaisers neue Kleider
Solidarökonomische Betriebe auf der Suche
der passenden Rechtsform
Foto: www.sippel.de/kunst/gruppe.htm
Haben wir die richtige Unternehmensform?
Können wir unbürokratisch neue Mitglieder aufnehmen? Ist der Austritt eines
Gesellschafters möglich, ohne den Weiterbestand der Firma zu gefährden? Mit
diesen und vielen weiteren Fragen werden solidarökonomische Betriebe
konfrontiert, die ihre Sturm und Drangzeit hinter sich gelassen haben.
Tatsächlich entschieden sich viele von ihnen in der Aufbauphase für das
falsche Rechtskleid. Der Schwerpunkt zeigt, welche Möglichkeiten bestehen,
diesen oft schwerwiegenden Fehler zu korrigieren. Fallbeispiele aus der Solar-
und Naturkostszene veranschaulichen innovative Lösungen.
Von Burghard Flieger, Red. Genossenschaften # Typisch
für Unternehmensgründungen, auch für Teamgründungen, ist: Sie wählen eine
Rechtsform vor allem aus Kostengesichtspunkten. Aus ihrer Sicht geschieht dies
zu Recht. Können sie doch kein Geld ausgeben, dass ihnen nicht zur Verfügung
steht. Die Folge: Viele Gründungsgruppen, für die die eG, die eingetragene
Genossenschaft eigentlich ideal wäre, »mogeln« sich an dieser
Unternehmensform vorbei. Irgendwann aber wird es eng. Erfordernisse wie
Nachfolge (Einzelunternehmen), Haftung (Gesellschaft bürgerlichen Rechts),
Aufnahme neuer Mitglieder (GmbH) oder die Zulässigkeit eines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebes (Verein) nehmen als Probleme existenzgefährdende Ausmaße
an. Entsprechend beginnt die Suche nach Alternativen.
Tatsächlich weist das Umwandlungsgesetz, zuletzt angepasst 2009,
vielfältige Möglichkeiten auf, um ins passende Rechtskleid hineinzuschlüpfen.
Vergleichsweise unkompliziert lässt sich der Wechsel zwischen den drei
»Kapitalgesellschaften« GmbH, Aktiengesellschaft und Genossenschaft
organisieren. Die Genossenschaft wird mittlerweile »fälschlicherweise« nach
der vorherrschenden Rechtsdogmatik oft den Kapitalgesellschaften zugeordnet. Bei
mehrheitlicher, satzungskonformer Zustimmung der Mitglieder ist es möglich,
eine weitgehend steuerneutrale Umzugsprozedur hinzubekommen. Als entscheidend
erweist sich eine gute Vorbereitung und die penible Einhaltung der einzelnen
vorgegebenen formalen Schritte.
Erheblich schwieriger wird es, wenn die Ausgangsrechtsform grundlegend
anderen Charakter hat. Dies gilt für die Wandlung von Personengesellschaften
(GbR und Einzelunternehmen) oder von nicht Wirtschaftsorganisationen (Verein) in
eine Kapitalgesellschaft. Die genossenschaftliche Rechtsform lässt sich hier
teilweise nur über »Tricks« ohne großen finanziellen Schaden durch die
Aufdeckung stiller Reserven, Wegfall von Verlustvorträgen sowie damit
verbundenen Steuerzahlungen umsetzen. Die Suche nach praxiserfahrenen
Rechtsberatern weitet sich hier schnell zur Suche nach der berühmten Stecknadel
im Heuhaufen aus.
Der Schwerpunkt startet mit einem Überblick von Matthias Fiedler. Er
skizziert die rechtlichen Grundlagen und das Spektrum der Möglichkeiten. In
seinem Beitrag werden nicht nur die verschiedenen einzuhaltenden Schritte
erläutert. Genauso wichtig sind seine vielen kleinen Hinweise, wie der
Umwandlungsprozess erheblich leichter wird. Insofern eignet sich dieser Beitrag
als erste Orientierung, aber auch für Unternehmen, die bereits konkret in einen
Prozess des Rechtsformenwandels einsteigen.
Dass eine Umwandlung sehr kompliziert sein kann, wird aus dem zweiten Beitrag
von Klaus Pütz deutlich. Er kommt aus einem Verbund unterschiedlicher
Unternehmen, eng verknüpft mit dem Windenergie- Nordeifel e.V., einem
gemeinnützigen Verein. Trotz großer Begeisterung für die genossenschaftliche
Rechtsform wurde nach längerem Engagement von einem Formenwandel Abstand
genommen. Die finanziellen Nachteile für die einzelnen Mitglieder hätten
überwogen, auch wenn sich der Organisationsaufwand für die Organisatoren
erheblich verringert hätte. Dagegen stimmt das zweite Beispiel optimistisch.
Der Weg von der Bürgersolar Essen 1 GbR zur Solargenossenschaft Essen ist dort
von Rolf Schwermer Mut machend beschrieben.
Die letzten drei Artikel kommen aus dem Naturkostsektor. Den Weg von der
Selbstversorgungs-Food- Coop zum genossenschaftlichen Mitgliederladen, erstere
als Verein organisiert, veranschaulicht Christina Konietzny. Hier wird deutlich,
dass, solange keine Gemeinnützigkeit im Spiel ist, dies realisierbar ist. Auch
die Verbrauchergemeinschaft Dresden wagte den Schritt vom Verein in die
Genossenschaft. Hier wurde interessanterweise der Verein auf diesem Weg
»mitgenommen «. Das Beispiel kann als Vorbild für viele Vereine dienen, die
im alternativen Sektor noch unzulässigerweise als Trägerorganisation dienen,
obwohl ein dominanter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besteht. Weil diese
Umwandlung Rechtsgeschichte schrieb, wird sie gleich zweimal geschildert aus dem
Blickwinkel von Matthias Nowitzky-Domke, ein engagiertes Mitglied, das von
Anfang an dabei war und von Uwe Scheibner, betreuender Rechtsanwalt des
mitteldeutschen Genossenschaftsverbands.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10