2. JUNI 1967 - 2007
Wir sind alle vom 2. Juni 1967
Nach den Schüssen in der Krummen Straße am 2. Juni
1967. Benno Ohnesorg, neben ihm Friederike Haussmann
Foto: Jürgen Henschel
Am 2. Juni wird es genau vierzig Jahre her
sein, das im damaligen Westberlin bei einer Demonstration der "Außerparlamentarischen
Opposition" gegen den Staatsbesuch des Schahs und gegen sein Regime in
Persien/Iran der Student Benno Ohnesorg vom Polizisten Karl-Heinz Kurras aus nächster
Nähe gezielt beschossen und getötet wurde. Benno verstarb noch in derselben
Nacht im Krankenhaus Berlin-Moabit.
Thomas-Dietrich Lehmann - CONTRASTE nimmt diesen
Jahrestag zum Anlass, den Monatsschwerpunkt dem Thema "2. Juni
1967-2007" zu widmen. Wir wollen die damalige Situation näher vorstellen,
denn nach vierzig Jahren ist nicht davon auszugehen, dass - gerade auch unter
den jüngeren CONTRASTE-LeserInnen - die Einzelheiten von dem bekannt sind, was
sich rund um dieses Ereignis und was sich politisch um das Jahr 1967 - im
besonderen rund um die aufblühende ApO (Außerparlamentarische Opposition) -
abspielte (vgl. hierzu die Übersicht "Magical history tour" und die
ausführliche "Dokumentation" der Ereignisse rund um den 2. Juni auf
S. 7/8). Manche der heute politisch Interessierten oder Engagierten werden
vielleicht nur noch das nebenstehend abgedruckte Foto kennen. Im Dunkeln, wie
der Hintergrund auf dem Foto, bleiben die politischen Konstellationen, die den
2. Juni ausmachten und in der Folge seine weitergehende Bedeutung begründeten.
Wir meinen dagegen: Das Datum sollte ins kollektive Gedächtnis heute kämpfender
Menschen und Bewegungen eingetragen bleiben!
Natürlich ist kritisch zu fragen, ob diese "Bedeutung" nicht arg
konstruiert ist? Wer den Schwerpunkt aufmerksam liest, mag selber diese Frage
beantworten und wird vielleicht neue Bezüge herstellen können.
Wir setzen diesen Schwerpunkt ausdrücklich nicht in die Reihe von, sagen
wir: "Heiligengedenktagen". Dazu bietet sich schon allein der
Verstorbene in keiner Weise an, wenn ich einmal den Worten Helmut Gollwitzers
auf der Trauerfeier zur Verabschiedung des Leichnams von Benno Ohnesorg am 8.
Juni 1967 folge (vgl. Dokumentation). Worum es positiv gehen soll, ist eher zu
beschreiben mit unverklärtem, kritischem Beschäftigen mit der eigenen
Bewegungs-Geschichte. Persönlich gefärbte Artikel überwiegen deshalb, nach
der Einleitung ins Thema, und werden auch von derartigen Fotos begleitet. Hier
gilt unser Dank von Seiten der CONTRASTE dem über 80jährigen Pressefotografen
Jürgen Henschel, der aus seinem Fundus die entsprechenden Fotos solidarisch zum
Abdruck freigegeben hat. Persönliche Stimmen, ob als Einzelbeitrag wie von
"gantenbein" (S. 10), als Degenhardt-Song über den "2. Juni
1967" oder auch als "virtuell" organisierte CONTRASTE-Debatte von
jüngeren Aktiven (S. 10), die z.T. erst 1967 geboren sind, ermutigen vielleicht
auch andere in der geneigten LeserInnenschaft, das Thema "Unfälle mit
Todesfolge" einmal an sich selber herankommen zu lassen.
Dass mich, als demjenigen, der das Thema bei CONTRASTE anregte, dabei auch
die tagesaktuellen Kämpfe interessieren, mögt ihr daran sehen, dass wir
entschieden haben, diesen Schwerpunkt in den Mai zu platzieren, sodass er einen
gewissen Vorlauf bekommt zu den G8-Mobilisierungen nach Heiligendamm. Die Großdemo
in Rostock (zum Auftakt der Gegenaktivitäten gegen den Gipfel) findet genau am
vierzigsten Jahrestag der Erschiessung Benno Ohnesorgs statt.
Ein Wort noch zu dem "medialen hype" um das Jahr "1977",
der gerade über uns herfällt und der in manchem einer Enteignung von linker
Geschichte gleichkommt, indem gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Es gilt
hier auf die Stimmen derer zu hören, die sich nicht dem staatlich hofierten
Glattbügeln oder dem "Terrorismus-erklären-wollen" verschreiben.
Wobei ich an dieser Stelle klar sagen will, dass die einzigen Militanten, die in
den siebziger Jahren einen direkten Bezug auf 1967 nahmen, die Berliner
GenossInnen der "Bewegung 2. Juni" waren. Die haben das auch ausführlich
begründet mit der Tatsache, dass es staatliche Organe waren, die die
dramatische Eskalation zwischen Staat und Bewegung in Gang setzten. Und dieser
Eskalation sind in den folgenden Jahren viele AktivistInnen und Aktivisten zum
Opfer gefallen, in Hamburg wie in Göttingen, in Berlin und Frankfurt am Main,
in Malville, Wackersdorf und Genua. (Die Liste ist unvollständig, beginnt sogar
15 Jahre vor Benno Ohnesorg, 1952 in Essen mit einem erschossenen
Demonstranten.) So ist es für mein politisches Empfinden auch vollkommen
gerechtfertigt, wenn die junge Marie im Gespräch am Ende des
CONTRASTE-Schwerpunktes den Bezug von Benno Ohnesorg zu Ouri Yalloh herstellt.
Was im übrigen im Jahre 1977 selbst über das damals 10 Jahre zurückliegende
Ereignis gedacht und diskutiert wurde, erhellt sich durch den Abdruck eines
Artikel aus der Zeitschrift "radikal", den wir hier (S. 9) neu präsentieren.
In der Sprache vielleicht für manche ein wenig fremd, aber der Sache nach, auch
in den internationalen Bezügen, die der Artikel anspricht, hochaktuell.
Aber lest selbst und dann auf nach Heiligendamm! Denn für uns gilt: Wir sind
alle vom 2. Juni
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10
Veranstaltungshinweis für Berlin:
Samstag, 2. Juni 2007 von 15 bis 18 Uhr.
Bus-Rundfahrt "Von Risiken und Nebenwirkungen. Die Berliner Jahre der ApO -
und was seither daraus entsteht".
Start und Ziel: Kochstr. am Verlagshaus der "taz". Preis: 16,-/erm.
13,- Euro.
Guide: Thomas-Dietrich Lehmann.
Eine Veranstaltung des Kreuzberg-Museums.
Anmeldung (wegen begrenzter Bus-Plätze) unter Tel.: (0 30) 50 58 52 33
Aktuell:
ein Video der Tagesschau zum 2. Juni 1967