WEGE IN EINE POSTFOSSILE GESELLSCHAFT
Transition Towns
Sie war schon irgendwie lustig, die
Beschäftigung mit dem Schwerpunkt Transition Towns – so viele déjà vues!
Alles Mögliche aus den Seventies in mehr oder weniger abgewandelten Formen
begegnete uns wieder: das »einfache Leben« und die Alternativ-Energien, die
Bauanleitung für ein Langsamläufer-Windrad aus Schrott aus dem Verlag
»Einfälle statt Abfälle« und die Bücher aus dem Packpapier-Verlag vom
»Haltbarmach-Almanach« bis zum selber Filzen und Weben – natürlich auch das
damalige Kultbuch »bolo bolo« von P.M. aus den frühen 80ern. Alles prima,
alles unter neuem Label – ist es mehr als bloß ein neuer Hype?
Von Ariane Dettloff, Red. Köln und Brigitte Kratzwald,
Red. Österreich #Karsten Behr aus der Kölner
Transition Town Community definiert die Bewegung so: »Das Transition Town
Movement ist momentan der Überbegriff für alle Bewegungen, in denen
wahrscheinlich viele Menschen schon seit Jahrzehnten unterwegs sind, aber in der
Vergangenheit sich immer an irgendwelche dusseligen Parteien anschließen
mussten. Die finden sich in dieser Bewegung wieder, indem sie gute Ideen haben
oder einfach nur n’ Spaten in die Hand nehmen.«
Auf einem Kölner Brachgelände ist so ein »Paradies
zu 95% aus den Abfällen der Gesellschaft« (Karsten) entstanden –
phantasievoll ausgestattete Wagen und Holzhütten, umgeben von Sträuchern,
Bäumen, Beeten und Skulpturen. Man geht Containern, musiziert und debattiert.
Es gibt workshops »Wie baue ich einen Solarkocher?« und Vorträge über andere
Transition Town Versuche. Von der Jagd nach Schnäppchen im Sinne der »Geizist-
geil«-Mentalität hält man hier nichts. Im Gegenteil: mensch freut sich,
weniger Dinge zu besitzen, um sich und die Umwelt mit deren Anschaffung,
Bezahlung und Pflege nicht unnötig zu belasten. Aus der Sichtweise der
Postwachstumsgesellschaft, die sich hier entwickeln will, ist es unvernünftig,
Lebenszeit gegen Geld einzutauschen, um Dinge in seinen Besitz zu bringen, die
man nicht braucht.
Unter den Aktiven der Transition Town Bewegung finden
sich viele »übliche Verdächtige«, die eh schon umwelt- und bewegungsmäßig
unterwegs sind. Wichtig wäre es, auch in die Breite zu wirken. Vielleicht
gelingts mit diesem Ansatz? Er gibt sich betont lustbetont und spricht dadurch
auch viele junge Menschen an. Aber seinen persönlichen ökologischen
Fußabdruck auf einen umweltneutralen Wert zu senken, erfordert schon ziemlich
viel Anstrengung. Augenwischerei?? Und was ist mit den größeren politischen
Zusammenhängen? Kommen sie nicht etwas zu kurz bei den Transition Town
Initiativen? Ein Unterschied ist sicher, dass das Bedrohungspotenzial von
Klimawandel und Peak Oil seit den 70ern stark zugenommen und inzwischen den
Mainstream erreicht hat. Die ökonomischen Krisen, Arbeitslosigkeit, zunehmende
soziale Spaltung machen Do it yourself für manche zur puren Notwendigkeit. Die
sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben sich
geändert, das könnte einen fruchtbaren Boden für Alternativen darstellen. Der
Anspruch, nicht zu warten bis die Politiker eine Lösung dafür finden, sondern
schon selbst einmal zu beginnen, hat auch politisches Potenzial, wenn er nicht
wieder im Rückzug ins Private endet. Bei aller Skepsis: Es ist eine
sympathische Bewegung. Die sich in ihr tummeln, gehen erste, zweite, dritte
Schritte ... – und wenn Viele viele kleine Schritte tun, kann sich der
Fortschritt sehen lassen. Und die vielen Tropfen auf die allerdings sehr heißen
Steine können, so sie nicht vorzeitig verdampfen, sich in Flüsse wandeln:
Transition eben.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10
SCHWERPUNKTTHEMA
Die Idee: Wege ins postfossile Zeitalter Seite
7
Ost-England: Transition Norwich Seite
8
Transition Town Göttingen: Neue Perspektiven Seite
9
Permakultur: Die Kunst gelungener Beziehungen Seite
10
Transition Graz: Gemeinsam das Leben selbst in die Hand
nehmen Seite 10