SELBSTORGANISATION
Organisierung von Unten
© Dietmar Dänecke
Obwohl ... es nur so wimmelt von Gruppen, die
sich "antiautoritär", "emanzipatorisch" oder "hierarchielos"
bezeichnen, sind in den allermeisten von ihnen intransparente, macker-artige Führungsstrukturen
und Dominanzen zu entdecken. Obwohl der Verfassungsschutz sogar 6.000 Militante
kennen will, passiert eigentlich nicht viel hierzulande. Obwohl es in vielen Ländern
seit einigen Jahren wieder eine größere soziale Bewegung gibt, die
"Globalisierungsbewegung", mitsamt Pink-Silver Block und Reclaim The
Streets, sind hierzulande keine größeren kreativen Aktionen zu verzeichnen.
Und obwohl sie eine herrschaftsfreie Gesellschaft wollen, organisieren sich
manche bewusst zentralistisch. Auszüge aus einem Strategietext der
Organisierung-von-unten-Debatte im "Hoppetosse" - Netzwerk für
kreativen Widerstand.
Red. Umweltschutz von unten - "Wir glauben,
dass sich all diese Gegensätze auflösen lassen, dass wir einiges verändern können.
Dabei ist es wichtig, dass das Ziel, eine "freie Gesellschaft", nicht
vom Weg abgekoppelt ist, dass die Befreiung nicht ein irgendwie, nach einer
irgendwie organisierten Revolution zu vollziehender Akt ist, sondern im Jetzt
und Hier beginnt. Deshalb ist eine emanzipatorische Bewegung "von
unten" organisiert.
Der Grundsatz hierfür ist, dass es keinerlei Hierarchien gibt, das heißt
wir sprechen von einer freien Kooperation gleichberechtigter Menschen, sowie
Netzwerken gleichberechtigter Gruppen. Dabei behalten die Gruppen (Zusammenhänge,
Organisationen) ihre volle Handlungsautonomie. Sie können nicht gezwungen
werden, irgendwo mitzumachen, noch besteht in diesen Netzwerken und Bündnissen
ein Konsenszwang. Verschiedene Positionen können nebeneinander stehen bleiben,
ohne die gemeinsame Arbeit zu verunmöglichen. Denn die Idee des Konsens führt
dazu, dass zum einen Inhalte entleert werden, bis mensch sich auf den kleinsten
angeblich gemeinsamen Nenner geeinigt hat. Zum anderen führt ein durch
Mehrheitsentscheide herbeigeführter Konsens meist dazu, dass diejenigen, die
nicht dafür gestimmt haben, schlicht nicht mitmachen.
Damit einher geht die Herstellung eines diskriminierungsfreien Raumes. Obwohl
mensch meinen möchte, dieser sei durch die Gleichberechtigung automatisch gewährleistet,
ist dies in Wirklichkeit ein immer wieder bewusst und aktiv zu betreibender
Prozess, da wir alle eine gewisse, aus unserer Normal-Sozialisierung
mitgebrachte "Vergiftung" (soziale Rollen u. Konstruktionen) in uns
tragen. Die HerrscherInnen in uns abzubauen, gehört da dazu. Notwendig ist auch
eine Atmosphäre, in der die Individuen sich trauen, abweichende Meinungen zu äußern,
skurrile Vorschläge zu machen, oder Fragen zu stellen. Zu oft können wir
erleben, dass solches Verhalten zu aggressiven Reaktionen bei den Anderen führt.
Nicht zu letzt sollten diese wichtigen emanzipatorischen Ansätze, Positionen
und Visionen offensiv nach außen getragen werden, um die Idee populär zu
machen und alte Strukturen aufzubrechen.
Die Belohnung für die Anstrengungen einer solchen Organisierung, die
zugegebenermaßen jeglicher gesellschaftlicher Sozialisierung entgegenläuft,
sind ein spürbares Mehr an Vielfalt der Ideen und Lösungsvorschläge, und
damit ein höheres Maß an Kreativität und eine unglaubliche Vermehrung der
Handlungsmöglichkeiten der Gruppe und der Individuen. Die Stärken der
einzelnen AkteurInnen kommen viel stärker zur Geltung, die Entfaltung wird gefördert.
Dadurch, dass kein Konsenszwang herrscht, ist es möglich, viel flexibler zu
agieren.
Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10