SOZIALE PROJEKTE ODER DOCH SELBSTBESTIMMTES WIRTSCHAFTEN?
Umsonstläden erfolgreich?
Hamburger Umsonstladenfest 2008
Seit gut 10 Jahren gibt es sie in Deutschland
und Österreich: die Umsonstläden. Es sind inzwischen ca. 50 – und sie
funktionieren meistens gut. Hier findet ein locker verknüpftes Geben und Nehmen
von Dingen statt:Wer an tragbaren, noch benutzbaren Dingen etwas über hat,
bringt es dorthin.Wer etwas benötigt, kann es dort umsonst abholen ...
Hilmar Kunath, Redaktion Hamburg # Das im
Frühjahr 1999 erstmals in Hamburg geprägte Stichwort »Zu schade zum
Wegwerfen« hat sich gut verbreitet. In einer Welt, in der fast alles nur durch
Kauf und Verkauf erhältlich ist, erwies sich das »Umsonst« als kleiner
Denkanstoß. Es geht nämlich auch anders: Zumindest die Überschüsse des
Warenverkehrs, die in Kellern oder Böden unbenutzt herumliegen, können durch
Eigeninitiative in die Umsonstläden gebracht werden, wo sie umsonst
weitergegeben, dann wieder genutzt werden. Die bisher 50 Umsonstläden helfen
ständig Energie, Rohstoffe und sinnlose Neuproduktion einzusparen. Was Mensch
im Umsonstladen bekommt, muss sie/er nicht kaufen. Das hilft besonders vielen
Leuten mit wenig Geldeinkommen, besser »über die Runden zu kommen«.
Geplant ...
... waren die Umsonstläden jedoch vor 10 Jahren anders: Ein erfreuliches
Funktionieren der Umsonstläden sollte die Grundlage sein, um mehr Menschen zur
Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe anzuregen. Weitere Projekte des
verabredeten, freien Gebens und Nehmens sollten sich an die Umsonstläden
anlagern. Dadurch wollten die InitiatorInnen allmählich die Abhängigkeit vom
allgemeinen Warenmarkt und von der Erwerbsarbeit Schritt für Schritt lockern.
Es sollten Erfahrungen selbstbestimmten Wirtschaftens und im Umgang miteinander
in selbstorganisierten Gruppen gewonnen werden. Das erwies sich als nicht so
leicht. Doch diese Erfahrungen liegen jetzt vor.
Tatsache ...
... ist inzwischen: Eine Weiterentwicklung ist nur bei sehr wenigen
Umsonstläden gelungen. Sie ist oft auch nicht erwünscht. Die allermeisten
Umsonstladen- Aktiven erfreuen sich an dem praktischen und sozialen
Funktionieren ihrer Initiative. Weitergehende Diskussionen sind
erfahrungsgemäß nach ein paar Jahren des Ein- und Ausräumens der vielen
abgegebenen Dinge erlahmt. Die meisten Umsonstladen- Aktiven sehen ihren Ansatz
inzwischen als »soziales Projekt« – eher in einem reformkapitalistischen
Sinn. Sie helfen dort, wo der Staat nicht mehr dazu in der Lage ist. Zu diesem
Thema möchte sich aber kaum noch jemand in der CONTRASTE oder anderswo
äußern.
Gegenseitige Hilfe unerwünscht?
Etliche Umsonstladen-Aktive in vielen Umsonstläden helfen sich nicht
gegenseitig durch eine systematische gegenseitige Versorgung mit den Dingen, die
sie so zahlreich »zwischenlagern«. Sie haben eher ein Verständnis, dass diese
Dinge umsonst für die mehr oder weniger »bedürftigen« NutzerInnen bestimmt
sind – und sie selbst eher die »ehrenamtlich Tätigen«, denen diese Dinge
nicht zustehen ... Sicher sind nicht alle Aktiven mit dieser Tendenz zufrieden.
Jedoch nehmen sie kaum gruppenübergreifend Kontakt miteinander auf.
Darüber hinaus hat es sich als recht schwierig erwiesen, den Umsonstläden
weitere selbstorganisierte Projekte bewusst hinzuzufügen. Die Aktiven sind
meistens mit dem angefangenen Umsonstladen voll ausgelastet. So viel
Initiativkraft, ein weiteres Projekt (in Zusammenarbeit mit dem ersten) zu
entwickeln, haben die wenigsten Menschen. In den meisten Umsonstläden wird kaum
(noch) darüber gesprochen, wie »ihr« Umsonstladen sich weiterentwickeln
könnte. Also ist es doch kein Erfolgsmodell??
Enttäuschter Rückzug oder selbstkritisches Weiterentwickeln?
Es kommt darauf an, was die jeweiligen Aktiven wollen. Die allermeisten sind
wohl mit der bloßen Funktion ihres Umsonstladens (also mit einem klitzekleinen
Unterschied zur sie umgebenden Warenwelt) und mit ihren daran anknüpfenden
sozialen Kontakten in der eigenen Gruppe zufrieden.
Einige haben sich auch wieder zurückgezogen. Siehe dazu den Brief von Grit
in dieser Ausgabe. CONTRASTE fügt hier keine weiteren Erfahrungsberichte hinzu,
die das Funktionieren von Umsonstläden belegen (siehe dazu zum Beispiel
CONTRASTE Nr. 232). In dieser Ausgabe stehen verschiedene Ansätze und Versuche
im Mittelpunkt, die versuchen, Umsonstläden weiter zu entwickeln. Manchmal
wurde auch erst einmal ohne Umsonstladen neu angesetzt, um ihn später wieder
hinzuzunehmen (siehe den Bericht vom Kubiz Wallenberg aus Berlin).
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10