FRIEDENSDELEGATION IN DEN IRAK
Nein zu Embargo und Krieg!
Eine aus Heidelberg zusammen
mit Gruppen der Berliner
Friedenskoordination organisierte
Friedensdelegation in den Irak hat
nach ihrer Rückkehr am
22. Januar über ihre Reise
informiert:
"Vom 16. bis 21. Januar besuchte eine
deutsche Friedensdelegation den Irak.
Diese Delegation ist ein Bestandteil der
Aktionen der deutschen und internationalen Friedensbewegung.
Wir kehren nach Europa zurück, um dort mit den
Eindrücken aus Bagdad und Basra die
politische Arbeit gegen den drohenden
Krieg und gegen das Embargo fortzusetzen und zu
intensivieren.
Bereits in der ersten Nacht unseres
Aufenthalts im Irak nahm die Delegation an einer
Demonstration gegen den drohenden Krieg teil. Genau zwölf Jahre
nach dem Beginn des Krieges gegen den
Irak am 17. Januar 1991 um 2 Uhr 30 demonstrierten wir mit
anderen Delegationen aus Belgien und Japan und mit irakischen
Jugendlichen zur UN-Zentrale in Bagdad.
In den dann folgenden Tagen besuchten wir medizinische
Einrichtungen, NGOs, eine Moschee, kirchliche Einrichtungen und andere
kompetente Gesprächspartner, um uns über den drohenden Krieg, die Auswirkungen
des Embargos und auch das normale Leben der
Irakerinnen und Iraker zu informieren. Am letzten Tag unseres Aufenthalts trafen
wir außerdem noch den stellvertretenden Premierminister Tarik Aziz. Wir können
hier nur einen kleinen Ausschnitt unserer Erlebnisse darstellen und verweisen für
weiterführende Informationen auf die unten aufgeführten Webseiten.
Erschütternd waren unsere Besuche im al-Mansour Krankenhaus in Bagdad und im
Mutter-Kind-Krankenhaus in
Basrah. Die Ärzte in diesen Krankenhäusern schilderten uns
die katastrophale Lage ihrer medizinischen Einrichtungen. In Basrah berichtete
uns Dr. Abd Al Karim von dem massiven Anstieg der Leukämieerkrankungen seit dem
Krieg 1991. Allein am Tag unseres Besuchs wurden drei leukämiekranke Kinder
eingeliefert.
Auf unserem Rundgang durch das Krankenhaus waren gleich die ersten beiden
Patientinnen, die uns auf dem Gang begegneten, Patientinnen mit Leukämie. Wir
begegneten einem 29-jährigen Mann mit seiner sechsjährigen Tochter. Sie kamen
aus einem Dorf 65 Kilometer nördlich von Basrah. Für seine leukämiekranke
Tochter musste die medizinische Behandlung unterbrochen werden, wegen des
Mangels an Medikamenten. Er erzählte uns außerdem, wie er 1991
als 17-Jähriger in seinem Dorf geholfen
hat, nach einem Bombenangriff die Leichen wegzuräumen.
Militärische Einrichtungen gab es dort keine.
Unter den Bedingungen des Embargos ist eine adäquate
Behandlung von Leukämie nicht möglich. Die in mehreren Zyklen
durchzuführende Chemotherapie erfordert die Behandlung mit
einem Medikamenten-Cocktail aus Zytostatika und Antibiotika.
Doch die Verfügbarkeit dieser Medikamente ist wegen
des Embargos nicht garantiert. Fehlt nur ein Medikament des Cocktails, so kann
die Behandlung nicht durchgeführt werden. Während bei Kindern normalerweise
eine 60- bis 70-prozentige Heilungschance besteht, bedeutet Leukämie im Irak
unter den Sanktionen mit großer Wahrscheinlichkeit den Tod.
In Basra trafen wir auch Frau Dr. Hobiger, eine Ärztin aus
Wien, die in einem zweiwöchigen Besuch und gegen viele
Widerstände verschiedene medizinische Geräte wie zwei Blutzentrifugen, einem
Plasma-Gefrierschrank und einem Blutreservenkühlschrank persönlich in den Irak
gebracht hat. Sie berichtete uns von der Tropenkrankheit Kala Azar, einer
Krankheit in Armutsgebieten, die bei entsprechender
Behandlung bei Kindern zu 100 Prozent heilbar ist, ohne Behandlung jedoch zu 100
Prozent tödlich. Die medikamentöse Behandlung kostet pro Kind nur 15 Euro. Die
Lieferung des dafür nötigen Pentostam
wird verweigert.
Wir besuchten die NGOs Care International aus Großbritannien
und Architects for People in Needs aus Deutschland. Margaret Hassan von Care
verglich die heutige Situation im Irak mit dem
Fall, wenn in einem Land wie England oder auch Deutschland die Versorgung mit
Elektrizität und Wasser, das Bildung- und
Gesundheitssystem zusammenbrechen würde. Irak ist ein reiches
Land und war bis 1990 eher ein Land der
ersten Welt als eines der Dritten Welt. Unter dem Embargo
müssen die Menschen
ihr Hab und Gut verkaufen, um zu überleben. Heute sind 40
Prozent der Bevölkerung absolut abhängig von den
Versorgungsrationen, die durch das Oil-for-Food-Programm an
die gesamte Bevölkerung verteilt werden. Das heißt, dass
diese 40 Prozent keine anderen Einkünfte haben und einen Teil
dieser Rationen weiter verkaufen müssen, um sich davon auch
andere Sachen zu kaufen. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung ist
unabhängig von den Rationen.
Alexander Christoph aus Bayern von den Architects for
People in Needs bestätigte uns diese Beschreibung der
sozialen Situation. Diejenigen, die sagen, das Embargo treffe
das Regime, sind der Propaganda erlegen, so Christoph. Das
Land lebt nach zwei Kriegen und dem zwölfjährigen Embargo im
Ausnahmezustand. Dieses Embargo ist eine humanitäre
Katastrophe, es bedeutet faktisch
schon heute Krieg gegen die Zivilbevölkerung. In der
Diskussion um Embargo und Krieg, die Frage nach Saddam
Hussein und der irakischen Führung in den Vordergrund
zu stellen, ist zynisch und menschenverachtend.
Politiker und Politikerinnen, die über die Frage des
Krieges gegen den Irak und über das seit zwölf Jahren
andauernde Embargo zu entscheiden haben, müssen sich
persönlich ein Bild von der sozialen Situation im Irak
machen. Die internationale Isolation des Iraks muss
durchbrochen werden.
Wir fordern den deutschen Bundestag auf, den Vertretern des
Auswärtigen Ausschusses, des Verteidigungsausschusses, des
Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und des
Umweltausschusses zu empfehlen,
in den Irak zu reisen. Sie sollen sich selber ein Bild von
der Situation machen und sich mit ihren Kollegen und
Kolleginnen von der irakischen Nationalversammlung
treffen.
Die deutsche Vertretung im UN-Sicherheitsrat soll sich
dafür einsetzen, dass es nicht zu einem Krieg kommt und
dass das Embargo aufgehoben wird.
Die Bundesregierung soll aktiv den Vorschlag von Griechenland
unterstützen, eine Friedensinitiative zu starten,
um einen Krieg im Nahen Osten zu verhindern.
Nicht zuletzt begrüßen wir die zahlreichen
Friedensdemonstrationen, die am letzten Wochenende mit
Millionen von Menschen weltweit stattgefunden haben. Diese
Aktionen werden fortgesetzt und am 15. Februar mit großen
zentralen Demonstrationen in europäischen Hauptstädten ihren
nächsten Höhepunkt haben, so auch in Berlin."
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
dieser Delegation:
Alice Bianchi, vorderasiatische Archäologin
Andr‚ Brie, Mitglied des Europäischen Parlaments, PDS
Angelika Claussen, Ärztin, Vorsitzende der IPPNW
Deutschland (Internationale Ärzte zur Verhütung des
Atomkrieges)
Bernd Klagge, Initiative gegen das Irakembargo Deutschland,
Mathematiker
Gabriele Senft, in der Friedensbewegung engagierte Fotografin
Hans Wenzl, Siegerländer Friedensinitiative, IPPNW, Professor
für Sozialpsychiatrie
Inge Wenzl, Politikwissenschaftlerin
Manfred Wagner, Darmstädter Signal, ehemaliger Soldat
Marla Ruzicka, Aktivistin der US-amerikanischen
Friedensbewegung
Weitergehende Informationen:
www.irakdelegation.de
www.embargos.de
www.irak-kongress-2002.de