FREIE RADIOS
Selbstbestimmt kollektiv senden
Aktion von »Radio Blau«
in der Leipziger Innenstadt am 20.11.2010
Kein Medienbereich ist in Deutschland so
streng reglementiert wie der Rundfunk. Vielerorts haben es dennoch Initiativen
geschafft, selbstbestimmte Freiräume im Äther zu behaupten. Freie Radios
senden hierzulande seit mehr als 20 Jahren, mittlerweile in über 30 Orten. Sie
sind von unten gewachsen, organisieren sich selbst und arbeiten zugangsoffen und
partizipativ. Der Anspruch als Medium gesellschaftskritisch und emanzipatorisch
Minderheiten und Subkulturen eine Stimme zu geben, stellt sich dabei jeden Tag
neu.
Von Stefan Tenner, Radio CORAX, Halle - Für
alternativen Gesellschaftsfunk haben Politik und Behörden vielerorts eher
Misstrauen oder Ablehnung übrig. In Niedersachsen ging bereits die erste
UKW-Lizenz eines Freien Radios verloren. Auch in Sachsen wurden drei Freie
Radios im Frühjahr 2010 wochenlang vom Äther verbannt. In Berlin versuchen
mehrere Initiativen seit zwei Jahrzehnten vergeblich eine Änderung des
Mediengesetzes zu erreichen, um so Freies Radio zu ermöglichen. Andernorts
wurden bereits die Förderungen gekürzt, die die Radios an die Grenzen ihrer
finanziellen Möglichkeiten bringen. Dass auf eine kritische Berichterstattung
auch mit Repression reagiert wird, konnte man Anfang des Jahres selbst in den
Mainstreammedien erfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat die Polizei- Razzia
beim Freien Sender Kombinat in Hamburg 2003 als verfassungswidrig eingestuft.
All das verwundert angesichts der Vielfalt, die die Freien Radios als
Massenmedium und als Ort öffentlicher Debatte und des Experiments täglich
ermöglichen.
Aber es gibt auch ein anderes Bild. Da wurden allein im Dezember vergangenen
Jahres an Freie Radios Auszeichnungen und Preise für soziales Engagement und
publizistische Leistungen an Radio CORAX, für Integration an Radio Z in
Nürnberg oder Demokratieförderung an Radio Blau in Leipzig vergeben. Oder im
Mediengesetz wird ihnen eine Grundfinanzierung aus Rundfunkgebühren
zugesichert, einige haben eine 24 Stunden Frequenz oder gute technische
Bedingungen. So vielfältig die Programme Freier Radios sind, so unterschiedlich
sind auch ihre Bedingungen, unter denen sie je nach Sendestandort existieren.
Seit Jahren stagniert die Förderung, während andere Länder den Zugang für
nichtkommerziellen Rundfunk immer mehr liberalisieren.
Trotz der widrigen Umstände ist die Solidarität für die Radios und auch
die überregionale Vernetzung zwischen den Sendern beeindruckend. Zahlreiche
innovative und ambitionierte Projekte sind in Freien Radios entstanden, die dem
zum Nebenbei- Medium verflachten und von Quotendenken und Warenförmigkeit
bestimmten Radio etwas entgegensetzen.
Unterstützt werden sie dabei von hunderten, mitunter tausenden
SympathisantInnen. Über 1.000 Vereinsmitglieder zählen beispielsweise die
Freien Radios in Freiburg oder Nürnberg. Sie sichern damit einen großen Teil
der finanziellen und politischen Unabhängigkeit ihres Senders.
Sie ermöglichen Partizipation an einem bewusst nicht auf Professionalität
ausgerichteten Medium, das auch als sozialer Ort funktioniert. Leidenschaftlich
und kompetent gemachte Musiksendungen einer Vielzahl von Genre abseits des
Mainstream wechseln sich so mit Sendungen ab, die regelmäßig von Stadtteil-,
Künstler- oder Kulturinitiaven und politischen Gruppen produziert werden.
Kinder und Jugendliche bestimmen selbst, was sie in ihren Sendungen
thematisieren. Und während öffentlichrechtliche Sender muttersprachliche
Sendungen seit Jahren einstellen und wegrationalisieren, bleiben Freie Radios
für migrantische Communities oft die einzige Möglichkeit sich auch in ihrer
Sprache im Radio zu informieren und öffentlich auszutauschen.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10
SCHWERPUNKTTHEMA
Überblick: Freie Radios hören Freie Radios vor
Ort, Seite 7
Sachsen: Wie Alternativmedien finanziell
ausgetrocknet werden, Seite 7
Überblick: Aktionsberichterstattung &
Repression, Seite 8
zip-fm: Politisches Nachrichtenmagazin zum
Mitmachen, Seite 8
Überblick: Rundfunkregulierung, Seite
9
Das Freie Radio als Alternative The End of Radio?, Seite
9
Überblick: Situation in den Bundesländern -
Was freies Radio bedeutet, Seite 10