ALTERSHEIM? NICHT MIT UNS!
Alte in Gemeinschaft
Spatenstich der Alten-Hausgemeinschaft "Silver
Sage" in Colorado,
USA Foto: Wonderland
Hill Development Company
Wir werden immer älter und bleiben dabei
fitter - tendenziell. Und den meisten Altwerdenden ist die Vorstellung ein
Graus, in Alten- oder Pflegeheimen zu vegetieren oder alleinlebend zu
vereinsamen. Da ist die Alternative selbstorganisierter Gemeinschaften eine
interessante Perspektive. Und sie gilt nicht nur für Reiche - obwohl man zur Gründung
einer Hausgemeinschaft auch finanzielle Ressourcen braucht. Zuschüsse aus öffentlichen
Mitteln und Stiftungen, Spenden und günstige Kredite können helfen.
Ariane Dettloff, Redaktion Köln - In dem
Bestseller "Das Methusalem-Komplott" (1) über
den Umgang mit dem Alter stellt Frank Schirrmacher fest: "Nur sehr wenige
Studien belegen überhaupt, dass Altern im Arbeitsleben zur Verminderung der
Leistungsfähigkeit führt; und wo dies geschieht, können die Erfahrungen des Älteren
die mechanischen Mängel offenbar auch ausgleichen. Das Vorurteil, dass ältere
Leute viel verlernt haben, nicht mehr umlernen können und nicht mehr mitreden dürfen,
ist ein Angriff auf die Menschenwürde."
Wie menschenwürdig und erfüllend selbst hohes Alter in Gemeinschaften
erlebt werden kann, zeigen die CONTRASTE-Beiträge aus und über Kommunen und
Hausgemeinschaften in den USA und der Bundesrepublik. Wir hoffen, sie sind
anregend genug, um weitere Äußerungen unserer Leserinnen und Leser zum Thema
herauszufordern und dem viel diskutierten Kollaps der Gesellschaft durch den so
genannten snow crash positive Seiten abzugewinnen. Und die Autorin möchte mit
diesem Schwerpunkt dazu beitragen, auch in links-alternativen Kreisen
verbreiteten altersrassistischen Auffassungen ein Stück entgegenwirken und dem
Unsinn der "Anti-Aging"-Industrie bewusste Resistenz und Abstinenz
entgegensetzen zu können.
Die gängige, doch dümmliche Gleichsetzung von "alt" und
"krank" oder "schwach" oder "hässlich" sollten
wir jedenfalls nicht mitmachen. Laut Schirrmacher rührt sie vor allem daher,
dass Altern bislang immer aus der Perspektive der jüngeren Mehrheit
wahrgenommen worden ist, während sich nun mit den Mehrheitsverhältnissen auch
die Sicht auf das Alter ändere. Ursächlich sind natürlich auch die
Medienbilder, denen sich kaum jemand entziehen mag: Alte werden, falls überhaupt,
insgesamt eher unfreundlich, unattraktiv und unintelligent dargestellt. Schließlich
werden wir alle alt und wollen so abstoßend und ausschließend sicher ungern
gesehen werden. Wir müssen ja nicht wie Ex-ARD-Moderator Max Schautzer, der mit
64 aus Altersgründen gefeuert wurde, nicht erst warten, bis der Jugendwahn
dieser Verwertungs-Gesellschaft uns heftigst verletzt, um uns für die
Altersklasse der Betagten (und damit für uns selbst) zu engagieren. Schautzer
tat das, indem er Sender für Alte gründete (Bono TV).
Am besten wartet man nicht bis zum Greisenalter, bis man für ein würdiges
Altenleben aktiv wird, meint z.B. Ulla Göbel, 53, von der Sozialistischen
Selbsthilfe Köln. Sie ist dabei, eine Hausgemeinschaft "mit den alt
Gewordenen der Bewegung" aufzubauen.
Dass es auch für den Fall von Hilfsbedürftigkeit angenehmere als die
Mainstream-Lösung gibt, kann ein leichteres Altern befördern. Der
Theaterregisseur Claus Peymann etwa, nach eigenem Bekunden "an der Schwelle
zum Greisenalter", hob Ende des Jahres in einem Radio-Interview hervor:
"Je älter man wird, desto glücklicher ist man, wenn man halbwegs gesund
ist". Das ist auch meine Erfahrung mit nunmehr 63. An meinem Wohnort Köln
gibt es 158 über hundertjährige Menschen. Wie es ihnen damit geht, habe ich
bislang nicht erkundet. Einem Presse-Interview mit der hundertjährigen Kölnerin
Else Frigge entnehme ich immerhin, dass sie weder einen Stock noch ein Hörgerät
noch eine Brille braucht und ihren Haushalt weiterhin völlig selbständig führt,
Kochen und Putzen inklusive. Und Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf (2),
68, kennzeichnet seine AltenHausgemeinschaft mit acht Mitgliedern mit dem Satz:
"Alle so schön alt hier!"
Literatur:
1) Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott. Karl Blessing Verlag, München
2004
2) Henning Scherf: Grau ist bunt. Was im Alter möglich ist. Herder-Verlag,
Freiburg 2006
Schwerpunktthema auf Seite 7 bis 10