Monatszeitung für Selbstorganisation
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Einkaufsgenossenschaft gegründetAm 5. Dezember wurde in Wiesbaden die Einkaufsgenossenschaft Produktion & Umwelt gegründet. Zum illustren Kreis der Gründungsmitglieder zählen neben Jo Leinen (BBU), Pfarrer Oeser (Umweltbeauftragter der Evang. Kirche Deutschland) und Prof. Frederic Fester weitere etablierte Umwelt- und Naturschützer aus BUND, Deutscher Naturschutzring usw. Erstes Projekt sind umweltfreundliche Katalysatorenautos, die zu günstigen Konditionen beschafft und an die umweltbewußten Mitglieder der Genossenschaft abgegeben werden sollen. Der Markt für umwelt- und menschenfreundliche Produkte ist seit Jahren eine Domäne der alternativen und mehr oder weniger Selbstverwalteten Betriebe, von denen es einige mit wachsender Stabilisierung und Professionalisierung zu - im Rahmen der Szene - recht ansehnlichen Umsätzen und Marktanteilen gebracht haben (Lorien Goods - Körperpflege u. Kosmetik; C&S, Biogarten, Naturata u.a. - Nahrungsmittel; blätterwald u.a. - Umweltschutzpapier). Auch, wenn diese alternativen ,Giganten' insgesamt Jahresumsätze von - sagen wir - 30 Mio DM erzielen, so ist dies - volkswirtschaftlich gesehen und den Bedarf an konsequent umweltfreundlichen Produkten betrachtet - Pipikram. Der Bedarf nach umweltfreundlichen Produkten ist in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft angestiegen. Viele der 60 Mio Bundesbürger haben, in dem Maße wie ihnen bewußt wird, daß die Umwelt immer mehr auf den Hund kommt, erkannt, daß die Benutzung und der Konsum menschen- und umweltfreundlicher Produkte ein kleiner individueller Schritt aus der Sackgasse des Industriesystems mit all ihren Schäden sein kann. Einen traurigen Schub hat diese Tendenz durch die breite Erkenntnis gewonnen, daß der deutsche Wald stirbt. An dieser Stelle setzt "Produktion und Umwelt" an: "Während der ökologische Problemdruck wächst und uns täglich neue schreckliche Kenntnisse bringt von sterbenden Wäldern, übersäuerten Grundwasservorkommen, bedrohten Arten und nun auch die Folgen für unsere eigene Existenz klar werden, verzögern Politiker notwendige und lebenserhaltende Entscheidungen, die diesem ökologischen Notstand gerecht werden. Obwohl alle wissen, daß die Hauptursachen bei der Luftverschmutzung in den Großfeuerungsanlagen und dem Kraftfahrzeugverkehr begründet liegen, sollen einschränkende Maßnahmen erst dann wirksam werden, wenn es zu spät ist. Die großtechnische Umweltzerstörung muß mit allen verfügbaren Mitteln bis hin zu Betriebsverboten und vorsorgenden - nicht nachträglichen - gesetzlichen Normen aufgehalten werden angesichts der Katastrophe, die uns erwartet. Unerträglich ist die Tatsache, daß dort, wo technische Voraussetzungen vorhanden sind oder in anderen Industrieländern bereits praktiziert werden, diese von Politikern verzögert, von der Lobby verwässert oder gar verhindert werden." Über Katalysator-Autos ist in den vergangenen Wochen und Monaten viel gesprochen und geschrieben worden, sie sind hierzulande allerdings kaum oder nur schwer und teuer erhältlich. Die deutsche Automobilindustrie liefert zwar für den Export in die USA und Japan entsprechend ausgestattete Fahrzeuge, verzögert jedoch die Einführung dieser Technik mit dem Hinweis auf Serviceprobleme, mangelndes Kraftstoffangebot, möglichen Handelskrieg in der EG und nicht zuletzt durch überhöhte Kosten. Deshalb will Produktion & Umwelt "der Automobilindustrie auf die Füße treten" , erklärte mir Aufsichtsratsmitglied Hartmut Steinbach: "Wachsendes Umweltbewußtsein und veränderte Werthaltungen der Bürger werden jedoch den Strategen, die sich auf das freie Spiel der Marktkräfte berufen, zeigen, daß immer mehr Menschen ihr Konsumentenverhalten vom Anspruchsdenken zu umweltverträglichen Qualitätsanforderungen verändern. "Dies ist der Anfang für ein anderes Wirtschaften." Anderes Wirtschaften setzt für Produkt & Umwelt erst mal beim Verbraucher an. Er soll lernen, Investitions- und Konsumgüter nach ökologischen Kriterien anzuschaffen und zu benutzen. "Dies gelingt nur, wenn umweltfreundliche Produkte einen breiten Markt finden." Hier will die Genossenschaft eine entsprechende Nachfragemacht organisieren. Der Start mit dem Katalysator-Auto soll möglichst breite Effekte bei der Verminderung weiterer Umweltschäden erzielen und die Genossenschaft als Selbsthilfeeinrichtung umweltbewußter Bürger auf breiter Ebene bekannt machen. Andere Produktgruppen sollen folgen, wie z.B. umweltverträgliche Hausgeräte und Recycling-Produkte für Haus und Garten, ebenso wie die vom Umweltbundesamt mit dem ,Blauen Umweltengel' gekürten Produkte. "Der Erfolg der ökologischen Genossenschaft 'Produktion & Umwelt' hängt davon ab, wie innovativ, wie technologiekritisch und wie professionell sie geführt wird." Ich muß sagen, daß ich das Konzept von Produktion & Umwelt für recht erfolgversprechend halte, zumindest dann, wenn die Lieferanten mitspielen und günstige Konditionen einräumen. Dies scheint momentan der Fall zu sein. Was ich mal wieder typisch finde und sehr bedaure, ist die Tatsache, daß die Idee von einer Einkaufsgenossenschaft für umwelt- und menschenfreundliche Produkte schon seit Jahren in den Köpfen einiger Projektler rumspukt und in den Wirren des selbstverwalteten Alltags nie konkret angegangen wurde (werden konnte?), sieht man mal von den POVO-Bemühungen der ASH vor etlichen Jahren ab. Und nun kommt eine Handvoll von Waldsterben und Umweltverschmutzung betroffener Leute aus dem bürgerlichen Lager, an der Spitze ein Herr Stefan, Freiherr von Feldegg, und macht das Ding. Um nicht falsch verstanden zu werden; Es wurde höchste Zeit, Produktion & Umwelt zu gründen und ich kann das nur begrüßen. Mir ist nur - mal wieder - aufgefallen, daß unsere Strukturen derart schwerfällig sind, daß wir - obwohl schon lange in dieser Richtung tätig - allzuoft die sind, die dann hinterher- und mitlaufen. Wir sollten das Projekt Produktion & Umwelt nach Kräften unterstützen und mittragen, um es zu dem zu machen, was es sein kann; Das Medium zur Durchsetzung menschen- und umweltfreundlicher Kauf- und Verkaufskriterien, was für viele von Selbstverwalteten Betrieben hergerstellten/angebotenen Waren bzw. Dienstleistungen ganz wichtig ist. Jochen Reinalda, blätterwald Modellfabrik, Weißkirchen Alle Zitate stammen - soweit nicht anders vermerkt - aus der Presseerklärung von Produktion & Umwelt. |
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