Monatszeitung für Selbstorganisation
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KRIEG GEGEN DEN TERROR ?Eine kommentierte DokumentationRobert Fisk,Nahostkorrespondent des Londoner Independent, genießt wie Noam Chomsky, Edward Herman, Tariq Ali und Michäl Albert seit einigen Wochen den besonderen Status eines Staatsfeindes. So wurde er kürzlich von einem Neuseeländischen Reporter in einem Interview gefragt: "Kann ich mit Ihnen über Osama Bin Laden reden? Ich weiß nicht, ob Sie dank seiner im Moment zum Staatsfeind Nummer Eins geworden sind, aber ich weiß, dass Sie ihn getroffen haben, und ich möchte wissen, ob Sie mir irgendwie Einblick geben können, zuallererst, ist er dazu fähig?" Darauf schilderte er die Lage in Afghanistan, wie er sie erlebt hat, insbesondere seinen Eindruck von Osama bin Laden: "Ist er dazu fähig? Sehen Sie, ich gebe Ihnen ein winziges Beispiel. Das zweite Mal traf ich ihn in Afghanistan vor vier Jahren auf der Spitze eines Berges, es war kalt, und am Morgen, als ich im Zelt erwachte, hatte ich Frost in meinem Haar. Er ging in das Zelt, worin ich saß, setzte sich mir gegenüber mit gekreuzten Beinen auf den Boden und bemerkt in der Schultasche, die ich normalerweise in unwirtliche Länder mitnehme, um meine Sachen aufzubewahren, einige arabisch-sprachige Zeitungen, er ergriff diese und ging mit einer zischenden Öllampe in die Ecke des Zeltes und verschlang den Inhalt. 20 Minuten lang ignorierte er uns, er ignorierte den Bewaffneten, der im Zelt saß, er ignorierte mich und er wusste nicht einmal zum Beispiel, dass es bestimmt in einer der Geschichten in der Zeitung stand, dass der Iranische Außenminister gerade Riad, sein eigenes Land, Saudi-Arabien, besucht hatte - gut, sein eigenes, bis er die Staatsbürgerschaft verlor. So schien er mir zu der Zeit sehr isoliert zu sein, ein abgeschnittener Mann, nicht die Art Person, die einen Knopf an einem Mobiltelefon drücken und sagen würde "Führt Plan B aus"." Solche differenzierten Ausführungen missfallen einer auf Krieg eingestellten Propagandamaschine. Auf der Webseite von ZMAG.ORG sind die Antworten von Chomsky, Albert, Ali und Herman auf die Angriffe von Hitchens dokumentiert. Bei uns sind solche Diffamierungen auch möglich. Um die unterdrückten Informationen hier öffentlich zu machen, gebe ich im folgenden einige von mir übersetzte Texte in Auszügen wieder, unter www.packpapier-verlag.de sind sie vollständig übersetzt dokumentiert.
Robert Fisk schreibt an anderer Stelle, dass bin Laden durch den Krieg "einen fast mythischen Status unter den Arabern" erwerbe. Und weiter: "Sei es ein libanesischer Minister, ein saudischer Journalist, ein jordanischer Bankangestellter oder ein einfacher Ägypter, die Antwort ist immer die gleiche: Herrn bin Ladens wiederholt in Millionen Haushalte ausgestrahlte Stimme artikuliert die Forderungen, Klagen und die Wut der Nahost-Moslems, die gesehen haben, wie sich ihre prowestlichen Präsidenten, Könige und Prinzen vor jeder ernsten Kritik an der anglo-amerikanischen Bombardierung von Afghanistan drücken. Wie es gestern ein Kairoer Bürger ausdrückte, glauben die Araber jetzt, dass Amerika versucht, "den einen Mann, der bereit ist, die Wahrheit zu sagen, zu töten". Arabische Zivilisten, die sich normalerweise ungern zu erkennen geben, wenn ihre Ansicht der ihrer Regierung widerspricht, äußern ihren Ärger jetzt freimütiger. "Sie sagen, dass ihr Ziel Bin Laden ist", sagte Samar al-Naji in Jordanien. "Sie bekämpfen unschuldige Leute in Afghanistan, die nichts mit Terrorismus zu tun haben". "Sie bekämpfen Moslems, während sie die Taten von Isräl, dem Terroristenstaat, der palästinensische Häuser vernichtet und Frauen und Kinder tötet, ignorieren." Herr al-Naji ist nur ein Bankangestellter, mit 29 kaum ein erfahrener Politiker. Nur in den freieren arabischen Ländern können Minister sagen, was sie denken. Der libanesische Informations-Minister Ghazi Aridi hält das Videoband des Herrn Bin Laden für "einen Geniestreich". Es gab, sagte er, "eine internationale Jagd gegen eine Person. Wenn er getötet wird, wird er ein Symbol und wenn er überlebt wird er ein stärkeres Symbol". Am Golf sind Gefühle sehr zerbrechlich. "Schauen Sie, ich kenne alte Frauen, die bis spät in die Nacht Gebete für Herrn Bin Laden sprechen," sagt ein saudischer Journalist. "Seine Auftritte im Fernsehen war sehr gute Public Relations für ihn, besonders wenn er über Palästina redete. In der Öffentlichkeit loben ihn die Leute nicht; es hat keinen Kommentar in den Moscheen gegeben, aber privat reden sie alle über ihn"." Tariq Alibemüht sich, die mörderische Sinnlosigkeit des Krieges, der gar nicht gewonnen werden kann, klarzumachen. "Eine größere Sorge ist, dass die Taliban, in die Enge getrieben und in ihrem eigenen Land besiegt, sich nach Pakistan wenden und dort Chaos in den Städten und sozialen Strukturen anrichten. Peshawar, Quetta und Karachi sind besonders verwundbar. Bis dahin stellt sich der Westen, der einen "Sieg" erzielt hat, blind wie üblich. Bezüglich des vermutlichen Ziels dieser Operation - der Gefangennahme Osama Bin Ladens - könnte es sein, dass dies weniger leicht ist, als es scheint. Er ist gut geschützt im entfernten Pamir, und da er drei Wochen Zeit gehabt hat seine Pläne aushecken, könnte er gut untertauchen. Aber der Sieg wird immer noch verkündet. Der Westen verlässt sich auf das kurze Gedächtnis seiner Bürger. Wie lässt sich die Entwicklung Afghanistans seit der sowjetischen Invasion und dem Sieg der Taliban analysieren? Die PDPA (Peoples Democratic Party of Afghanistan - afghanische kommunistische Partei), welche eine starke Basis in der Armee und in der Luftwaffe hatte, machte 1978 einen Staatsstreich und stürzte das korrupte Regime von Daoud. Das Volk begrüßte die Änderung. Die PDPA war anfangs beliebt. Sie versprach wichtige soziale Reformen und Demokratie. Aber das letztere Versprechen wurde nie eingehalten, obwohl wichtige Bildungsreformen durchgedrückt wurden, wie kostenlose Bildung und Schulen für Mädchen. In den Städten begannen Mädchen und Jungen dieselben Schulen zu besuchen. Die Medizinische Versorgung war auch verbessert worden, außer dass ein bitterer Parteienkampf geführt wurde, der zum Sieg einer von Hafizullah Amin geführten Pol-Pot-Fraktion führte, der eine Kampagne massiver Unterdrückung begann. Inzwischen entschieden sich die Vereinigten Staaten das Regime durch Bewaffnung der ultra-religiösen Stämme zu destabilisieren, unter Verwendung der Pakistanischen Armee als Verbindungsglied, um den religiösen Extremisten zu helfen. Die Amerikaner legten eine Bärenfalle, und die sowjetische Führung fiel hinein. Sie sandten die rote Armee, Amin zu kippen und das PDPA-Regime durch Gewalt aufrechtzuerhalten. Dies verschlimmerte die Krise, und die Vereinigten Staaten riefen zu einem Jihad gegen den Kommunismus auf. Die pakistanischen Militärs dachten, dass es dem Jihad helfen würde, wenn ein saudischer Prinz käme um den Kampf anzuführen, aber von der Seite gab es keine Freiwilligen. Stattdessen schlug das saudische Regime dem CIA Osama Bin Laden vor. Er wurde genehmigt, rekrutiert, ausgebildet und nach Afghanistan geschickt, wo er gut kämpfte. In einem Fall führte Bin Laden seine Männer zu einem Angriff auf eine gemischte Schule (Jungen und Mädchen) und tötete alle Lehrer. Die USA beobachteten dies mit Anerkennung. Der Rest ist Geschichte. Die Sowjetunion wurde besiegt und zog 1989 ihre Kräfte ab. Ein Bürgerkrieg folgte und eine Koalitionsregierung aus Kräften, die gegenüber dem Iran loyal war, Tadschikistan und Pakistan gewannen an Einfluss. Instabilität herrschte. Dann schickte Pakistan die Taliban (Studenten), die mit offener Unterstützung der pakistanischen Armee in speziellen Priesterseminaren zum Kampf trainiert worden waren. Kabul wurde erobert, und das Regime allmählich über den Rest des Landes ausgeweitet. Amerikanische Think-Tanks redeten bis vor einigen Monaten davon, die Taliban zu verwenden, um die zentralasiatischen Republiken weiter zu destabilisieren! Jetzt führen die USA und Pakistan Krieg, um ein Regime zu kippen, das sie schufen. Wer sagte, diese Geschichte hatte aufgehört, ironisch zu sein? ... Die letzten drei Wochen (vor dem Angriff) haben Pakistans Militärmachthaber versucht, die Taliban davon zu überzeugen Osama Bin Laden auszuliefern um eine sich abzeichnende Kastastrophe zu vermeiden. Erfolglos. Da Osama der Schwiegersohn von Mullah Omar, dem Führer der Taliban ist, war dies kaum überraschend. Die interessantere Frage ist, ob Pakistan nach Abzug seiner eigenen Soldaten, Beamten und Piloten aus Afghanistan es erreicht, die Taliban zu spalten. Die Beziehungen zwischen Pakistan und den Taliban sind in diesem Jahr gespannt gewesen. Im Bemühen die Freundschaft zu festigen, hat Pakistan vor sechs Monaten eine Fußballmannschaft zu einem Freundschaftsspiel nach Afghanistan geschickt. Als die zwei Mannschaften einander im Stadion in Kabul gegenüberstanden, kamen Sicherheitskräfte und verkündeten, dass die pakistanischen Fußballspieler "unanständig" gekleidet wären. Sie trugen Fußballshorts, während die afghanische Mannschaft lange Hosen bis gut unterhalb der Knie trugen. Vielleicht meinten sie, dass die schwankenden Oberschenkel der Pakistanis einen Aufruhr in dem rein männlichen Publikum verursachen könnten. Wer weiß? Das pakistanische Team wurde festgenommen, ihre Köpfe wurden rasiert, und sie wurden öffentlich ausgepeitscht, während das Stadionspublikum gezwungen wurde Verse aus dem Koran zu singen. Dies war Mullah Omars Art mit der pakistanischen Armee umzugehen. ... Der Schlüssel zu dem, was in der Region geschieht, ist Pakistan. Welche Art von Regime ist es, was sind seine Ziele, und in welchen Widersprüchen befindet es sich? Es ist ein Militärregime, aber kein bösartiges wie sein Vorgänger. Es ist ein Regime, das den Neoliberalismus in Pakistan beaufsichtigen will. Die Armee ist natürlich geteilt, aber die genaue Stärke von Pro-Taliban-Strömungen in der Armee ist strittig. Es könnten zwischen 15-30 Prozent sein. Die Islamisten sind in der pakistanischen Gesellschaft insgesamt sehr schwach. Es ist wichtig, diese Tatsache zu verstehen. In aufeinanderfolgenden Wahlen haben weniger Menschen für Fanatismus in Pakistan gestimmt, als in Isräl. Darum beschlossen die pakistanischen Taliban, ihre Position in der Armee zu stärken. Wenn die Vereinigten Staaten zu viel Blut in Afghanistan vergießen, könnte das im Laufe eines Jahres innerhalb der Pakistanischen Armee schreckliche Folgen haben. ... Islamabad verabscheut die Nordallianz, die mit Hilfe der Taliban besiegt wurde, als Kabul fiel. Ich kann nicht deutlich genug betonen, dass die Taliban von Pakistan auf jede Weise aufrechterhalten werden. Was eingeschaltet wird, kann auch ausgeschaltet werden. Das Problem für Pakistan ist, dass ein Flügel der Taliban zu Bin Laden und seinen Prätorianer-Garden arabischer anarcho-Islamisten überlief. Diese Typen schlagen wahrscheinlich zurück, wie immer die Chancen stehen. ... Überall im kalten Krieg verwendeten die Vereinigten Staaten den Islam als ein Bollwerk gegen Kommunismus und Revolution. Das geschah überall in der islamischen Welt, nicht nur in Südasien. Also können wir sagen, dass der Islamismus, wie wir ihn kennen, ein Produkt von Imperialismus und Moderne ist." Cynthia Peterhat unter dem widersprüchlichen Titel "Es ist einfach. Es ist nicht so einfach" in sehr persönlichem Ton von Ihren Erfahrungen mit Diskussionen in der Öffentlichkeit geschrieben um zum Schluss in 6 Punkten eine Handlungsanleitung zur Durchführung pazifistischer Aktionen aufgestellt: "Jetzt ist die Zeit, mit den Leuten zu reden, zu kommunizieren, Informationen mitzuteilen, zuzuhören - so eigentlich geschieht soziale Veränderung, Änderung des Denkens, die Verwandlung von Rationalisierungen und Zynismus in Visionen und Fähigkeiten. ... Sehen Sie sich den gebildeten Typ im korporativen Anzug an, wie er in weichen Tönen spricht und einen gequälten Ausdruck im Gesicht hat, als er die Aussicht auf Millionen hungernde Afghanen mit einem Achselzucken abtut, "wir müssen Osama bin Laden irgendwie kriegen, nicht wahr"? Statt ihm meinen Unglauben ins Gesicht zu schreien versuche ich, ihn in seiner eigenen Logik ruhig zu fragen, "Also denken Sie, ist es in Ordnung Millionen Afghanen dem Risiko des Verhungerns auszusetzen, um möglicherweise einen Mann zu fangen"? Dann versuche ich, die Pause stehen zu lassen. Ich versuche nicht, die Stille mit mehr Wörtern aufzufüllen. Ich versuche, ihn hören zu lassen, was er sagt. Aber das ist schwer zu tun. Ich fühle, wie sich eine Art Panik erhebt. Er ist eine denkende Person, doch er artikulierte seine Übereinstimmung mit einer obszönen und mordgierigen Politik. Ich unterdrücke die Panik. Er weicht einwenig von seinem Argument zurück. Die Interaktion endet. Dies ist, wo es nicht-so-einfach wird. Ich rede nicht gerne mit Leuten wie diesem Mann im Anzug. Sie machen mich krank. Aber reden ist das, was wir jetzt unbedingt brauchen. Es ist die einzige Möglichkeit den Massenmord zu verhindern. In einer Welt mit nur einer Supermacht, sind die Bürger der Supermacht die einzige Gewalt, die diese Supermacht kontrollieren kann. Es liegt an uns." Herrmann Cropp |
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