Monatszeitung für Selbstorganisation
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EditorialWirtschaften für wen?Von Elisabeth Voß # Der Nobelpreis für Wirtschaft 2009 ging an die US-amerikanische Ökonomin Elinor Ostrom. Mit ihr wurde eine Wissenschaftlerin geehrt, die seit Jahrzehnten zu Gemeingütern forscht. Sollte diese Preisverleihung ein Anzeichen dafür sein, dass in den Zeiten der Finanzmarktkrise der Zweifel an der Alternativlosigkeit des Kapitalismus auch in etablierten Wissenschaftskreisen um sich greift? Auslöser der aktuellen Krise waren sogenannte »faule« Immobilienkredite. In den USA wurden systematisch Kredite vergeben an Menschen, die nichts weiter wollten als in den eigenen vier Wänden wohnen, aber nicht über die erforderlichen Sicherheiten verfügten. Sie hatten einen kleinen Traum vom kleinen, bürgerlichen Glück im Eigenheim. Diese Menschen wurden in den Ruin, teilweise in die Obdachlosigkeit getrieben. Als die Immobilienblase platzte, gab es nicht etwa Unterstützung für die Betroffenen, sondern der Staat zahlte Milliardenhilfen für die Banken. Die neue Bundesregierung in Deutschland will nun mit ihrem »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« – schon der Begriff klingt alarmierend – in erster Linie die Umverteilung von unten nach oben beschleunigen, indem Steuervorteile einseitig für Unternehmen und Besserverdienende eingeräumt werden. Für 2011 ist schon jetzt geplant, die Beiträge zur Krankenversicherung nicht mehr solidarisch nach Einkommen, sondern als einheitliche Kopfpauschale zu erheben. Die real existierende Wirtschaftspolitik macht also nicht den Eindruck, als würde sie Alternativen zur Kapitallogik auch nur in Erwägung ziehen. In der herrschenden Ökonomie zählen die Menschen, ihre Bedürfnisse und ihre Arbeit nichts. Es geht nach wie vor um die Erzielung höchstmöglicher Renditen, und die Politik spielt die Begleitmusik. Demgegenüber stehen in den Ansätzen Solidarischer Ökonomien die Menschen im Mittelpunkt. Dabei reicht die Bandbreite von kleinen, lokalen Betrieben und Projekten über besetzte Fabriken und Großgenossenschaften oder Unterstützungseinrichtungen bis hin zu solidarischen internationalen Abkommen. Ihre Bedeutung liegt zum einen in der konkreten Verbesserung der Lebenswirklichkeit für die direkt Beteiligten. Zum anderen stellen gerade die vielfältig weltweit entstehenden Modelle anderen Wirtschaftens Keimformen dar, die auf verschiedensten Ebenen notwendige Erfahrungen schaffen für Möglichkeiten des Wirtschaftens in einer Welt jenseits des Kapitalismus. Aus aktuellem Anlass verweisen wir an dieser Stelle auf ein konkretes Vorhaben, das generationsübergreifende Wohnprojekt Eilhardshof. Es entsteht unter dem Dach des Mietshäuser Syndikat in Neustadt/Weinstraße. Einer der Initiatoren, der Anarchist Horst Stowasser, ist am 30. August 2009 mit nur 58 Jahren gestorben (in unserer Oktober-Ausgabe 2009 veröffentlichten wir zwei Nachrufe auf ihn). Dieses »Projekt A Plan B« (Interview mit Horst in der Graswurzelrevolution, Dez. 2005), geht nun ohne ihn weiter. In unserer Januar- Ausgabe 2010 erfahrt Ihr mehr darüber. Nur so viel für heute: das Wohnprojekt ist dringend darauf angewiesen, aus einem solidarischen Umfeld weitere Direktkredite zu erhalten. (www.eilhardshof.de) |
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