FREIHEIT STATT FRONTEX
FrontExplode: Das EU-Grenzregime attackieren
Protest vor der
Frontex-Zentrale in Warschau
Foto: Marily Stroux
Die europäische Grenzschutzagentur »Frontex«
ist der Inbegriff der Militarisierung und Vorverlagerung der Migrationskontrolle.
Tausende von toten Flüchtlingen und MigrantInnen sind die kalkulierte
Konsequenz einer Abschreckungspolitik, gegen die sich seit einigen Jahren ein
transnationalerWiderstand formiert. Spätestens mit der Ausstrahlung eines
kritischen Tatort-Krimis im Mai 2011 ist »Frontex« in Deutschland nicht mehr
nur einer kleinen kritischen Öffentlichkeit als »Jäger und Mörder der
Boatpeople« bekannt.
Von Hagen Kopp # Im Juni
2008 gab es eine Kundgebung von AktivistInnen gegen das Grenzregime vor der »Frontex«-Zentrale
in Warschau. Sie blieb zwar klein, doch der symbolische Protest gewann immens an
Ausdrucksstärke, als Amadou M‘Bow als Vertreter einer mauretanischen
Menschenrechtsorganisation das Megaphon in die Hand nahm. Er konfrontierte die
»Frontex«-Verantwortlichen mit den tödlichen Folgen der »Frontex
«-Einsätze vor der westafrikanischen Küste und forderte den sofortigen Stopp
dieser Operationen.
Diese Aktion in der polnischen Hauptstadt war nicht nur
das praktische Startsignal zu einer Kampagne gegen einen neuen, zentralen Akteur
des Grenzregimes. Die Mobilisierung war zudem eingebettet in eine transnationale
Aktionskette, die in ihrem Aufruf den übergreifenden Horizont des Widerstandes
gegen die Migrationskontrolle skizzierte: »Auf der ganzen Welt gründet die
kapitalistische Ausbeutung auf einem globalen Gefälle, das durch Filter und
Zonen, mittels Hierarchien und Ungleichheiten sowie durch äußere und innere
Grenzen bewusst hergestellt wird. Illegalisierung und Abschiebung einerseits,
selektiver Einschluss und Anwerbung von migrantischen Arbeitskräften
andererseits, es sind zwei Seiten derselben Medaille: es geht um
Migrationsmanagement für ein globales Apartheid-Regime, dessen höchst prekäre
Ausbeutungsbedingungen auf der Produktion immer neuer Hierarchien und
abgestufter Rechte sowie rassistischen Diskriminierungen basieren«.
Im Mai 2005 begann die europäische Grenzschutzagentur
mit einzelnen Pilotprojekten. Von Anfang an gab es Widerstand dagegen: von
»kein mensch ist illegal«-Gruppen, aus dem »Noborder- Netzwerk« oder von »Welcome
to Europe«. Heute ist »Frontex« im militarisierten Dauereinsatz gegen
Flüchtlinge und MigrantInnen, sei es an den See- oder Landaußengrenzen, auf
Flughäfen oder auch auf wichtigen Landstraßen, und nicht zuletzt in der
Koordination von Charterabschiebungen. Gegen Menschen ohne Papiere innerhalb der
EU oder gegen Bootsflüchtlinge an den Außengrenzen:
»Frontex« ist die treibende Kraft in der
»Bekämpfung illegaler Migration«, und dass diese Agentur dafür über Leichen
geht, bekam im Mai 2011 ein Millionenpublikum in einem beachtlichen »Tatort«-Krimi
vorgeführt. Der Autor des Drehbuchs für »Der illegale Tod« konnte kaum
wissen, wie brandaktuell seine Story zum Sendedatum sein würde. Auch wenn es
letztlich »nur« ein guter Sonntags-Krimi war, für das Image von »Frontex«
dürfte der Abend ein regelrechter Kommunikations- Gau gewesen sein. Für die
Kampagne gegen »Frontex« hingegen ein unglaublicher Erfolg und auch Ausdruck
davon, dass das kritische Bewusstsein gegenüber dem EU-Grenzregime und seinen
Akteuren zugenommen hat.
Der sehenswerte Tatort spielt 2010, noch realistischer
erscheinen solche todbringenden Einsätze seit Februar 2011. Über 2.000
ertrunkene Boatpeople wurden 2011 zwischen Nordafrika und Lampedusa bzw. Malta
gezählt. Kurz nach Beginn des arabischen Frühlings und als mit dem Sturz der
Despoten das EU-finanzierte Wachhundregime in Nordafrika kollabierte, wurde »Frontex«
mit der »Operation Hermes« unmittelbar vor der tunesischen und libyschen
Küste in Stellung gebracht. Vor diesem Hintergrund bleibt »Freiheit statt
Frontex « ein gleichermaßen treffender wie hochaktueller Slogan – die
Kampagne »Frontexplode« verwendet ihn auf Bannern und Flyern bei ihren
Widerstandsaktionen. Einige davon dokumentiert unser CONTRASTE-Schwerpunkt.
Auf den Seiten 7 bis 10.