IT-GENOSSENSCHAFTEN
Selbständigengenossenschaften
- Pioniere zukünftiger Organisations- und Arbeitsformen
Seit Ende der 1960iger Jahre kommt es in der
Bundesrepublik Deutschland zur Gründung von Selbständigen- bzw.
Freiberuflergenossenschaften. Sie können ebenfalls als Geistkapitalunternehmen
oder Professionsbetriebe charakterisiert werden. Es sind meist Betriebe in
Wachstumsbranchen. Besondere Verbreitung finden sie im Software- und IT-Bereich.
Ihr entscheidendes Kapital beruht auf der Qualifikation der beteiligten
Mitglieder. Beide Charakteristika, hohe Professionalität der Arbeit und
Gesellschafterstatus der Akteure, begründen auch die Bezeichnung als
Professionsgenossenschaften.
Burghard Flieger, Red. Genossenschaften - Nirgendwo
ist die Spannbreite und Vielfalt von innovativen Organisations-, Kommunikations-
und Partizipationsformen so weit entwickelt wie in Selbstständigenunternehmen
bzw. Professionsgenossenschaften. Sie gehen weit darüber hinaus, was bei
anderen genossenschaftlichen Unternehmen praktiziert wird. Auf diese Weise
werden die organisatorischen Möglichkeiten, aber auch die Motivation der
Mitglieder erhöht. Bestehen können sie nämlich nur durch deren intensiven
Arbeitseinsatz. Angeregt wird dieser oft durch eine ausgeprägte Bereitschaft zu
sozialen Innovationen, zu denen auch die ausgeklügelten Organisations- und
Kommunikationsstrukturen gehören.
Moderner Genossenschaftstyp
Diese sind notwendig. Baut doch ein großer Teil der in IT-Firmen
vermarkteten Produkte und Dienstleistungen auf dem Wissen der Mitglieder auf.
Dessen Nutzung erfordert nicht nur Zusammentragen von Informationen oder
ständigen Austausch von Erfahrungen. Wichtig sind regelmäßige, wechselseitig
stützende Kritik und gemeinsame Reflexion. Nur so lassen sich die Leistungen
der einzelnen Genossenschaftsmitglieder zu dem gewünschten Gesamtergebnis
zusammenfügen. Die Vergrößerung des Freiheits- und Entscheidungsspielraums
gekoppelt mit sehr weitgehender Verantwortungs- und Risikoübernahme gehen
deshalb auch nicht auf Kosten der Ertragsfähigkeit. Sie helfen vielmehr die
eigentliche Aufgabenstellung zu bewältigen.
Selbständigen- bzw. Professionsgenossenschaften als eine moderne Variante
der Produktivgenossenschaft verfügen über einen wichtigen Wettbewerbsvorteil.
Durch die Identität von Kapitaleigentümern und Projektrealisierer sind sie
für qualifizierte Berufstätige ein interessanter Kompromiss zwischen reiner
Selbständigkeit und der Arbeit in einem renommierten Großunternehmen. Während
"Nur-Selbständige" komplexe Aufgaben aufgrund fehlender Arbeits- und
Finanzkapazitäten nicht übernehmen können, fehlt in Großbetrieben das
Gefühl und die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen zu beeinflussen.
Selbständigengenossenschaften bieten beides. Sie haben damit die besten
Chancen, High-Tech-Wissen ergebnisorientiert zu organisieren und werden so zu
einem interessanten Anhaltspunkt, wohin die Reise in die Zukunft gehen könnte.
Innovative Beispiele
Der Schwerpunkt IT-Genossenschaften veranschaulicht diese skizzierten
grundsätzlichen Überlegungen über konkrete Beispiele. Der Einstieg erfolgt
über Horst Härtel, indem anhand der "7-it eG", München, die
Motivationen, Vorteile und Erfahrungen mit der Organisationsform Genossenschaft
dargestellt werden. In einem zweiten Beitrag macht Härtel deutlich, wie wichtig
eine genaue Klärung der Aufgaben und Rollen in solchen Genossenschaften ist,
damit die Projektabwicklung nicht in einem Desaster endet. In eine ähnliche
Richtung geht der Artikel von Florian Kempff: Prozessunterstützung,
Kommunikationstechnik und Feedbackverpflichtung werden als zentrale Bausteine
der Auftragsabwicklung beschrieben. Hintergrund sind Erfahrungen aus der
IT-Genossenschaft "sqtm eG".
Wie der Mitgliedernutzen für Fachleute aussehen kann, ist Gegenstand des
Interviews mit Manfred Feige von der "JARIVA eG". Sie ist ein Verbund
von Freiberuflern der IT-Branche. Die Genossenschaft akquiriert Kunden,
vermarktet die Dienstleistungen ihrer Mitglieder, sorgt für Aufträge, und
fördert sie auf diese Weise. Davon unterscheidet sich das Leistungsangebot der
"Hostsharing eG" erheblich. Sie ist ein im Jahre 2.000 gegründeter
Webhoster mit über 200 Mitgliedern, der die Gedanken von Open-Source auf
Internetdienstleistungen überträgt. Über eine virtuelle Mitgliederversammlung
gelingt es dieser eG die meist sehr formal organisierte Generalversammlung über
ein vorgezogenes innovatives Meinungs- und Diskussionsforum der Genossenschaft
erheblich zu beleben. Die Vorstellung eines Genossenschafts-Handbuch rundet den
Schwerpunkt ab.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10.