Monatszeitung für Selbstorganisation
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Dabei sein war allesEine kleine Anzeige im Wandelsblatt Nr. 1 versprach Interessantes: Vielversprechend vor allem erschien die gelungene Kombination aus dem vorgegebenen Thema und dem Veranstalter, dem Arbeitskreis Alternative Ökonomie der AG SPAK, dem "dieser ganze Bereich weiterhin zu wichtig ist, um ihn allein theoriefeindlichen Praktikern, bzw. praxislosen 'AÖ-Gurus' zu überlassen...". Auch die selbstgestellte Aufgabe, "ein Durchlauferhitzer zu sein, d.h. Leute machen in der Mitarbeit in Projekten Erfahrungen, z.T. über eine ganz andere Lebenswelt... wenn das gut aufgearbeitet wird, so sind das Erfahrungen, die später in der Mitarbeit in anderen Gruppen ganz wichtig sind...", eine für unsere Betriebe zweifellos nicht zu unterschätzende Funktion, machte unsere Teilnahme geradezu selbstverständlich. Auch wenn die Terminierung nicht gerade projektefreundlich aussah, war unserem "Kooperationsbetrieb" (3 Betriebe mit zusammen ca. 100 Leuten) das Thema so wichtig, daß wir beschlossen, mit 6 Leuten anzurücken. Erwartungsfroh besuchten wir am Freitag die erste Veranstaltung, es ging um den legendären Mehringhof in Berlin. Ein riesiger, wunderschöner Gebäudekomplex, den ca. 30 Projekte ihre Heimstatt nennen. Wunderbar, viele Fragen kommen mir in den Kopf - wie läuft das bei euch mit den Löhnen, mit den Kindern, den gegenseitigen Ökonomischen Abhängigkeiten, mit den politischen Ansprüchen...? Die Antworten kommen etwas gereizt - was sollen diese Fragen? Ich bin etwas verunsichert, bin ich versehentlich falsch hier? Kann aber eigentlich nicht sein, ich kenn doch einige Leute hier, die wegen dem selben Seminar da sind. Na, vielleicht hab ich der Diskussion ein bißchen vorgegriffen, hab' schließlich die Vorbereitung nicht mitgekriegt. Geduld, kommt schon noch. Kommt aber nicht. Erneuter Versuch: wie geht ihr denn damit um, wenn auf einer Etage mit verschiedenen Kollektiven möglicherweise völlig unterschiedliche Löhne bezahlt werden können, weil es dem einen Kollektiv gut und dem anderen schlecht geht? Die Reaktion ist wieder gereizt: wir sind doch hier kein Kooperationsprojekt, wir haben doch nie einen politischen Anspruch an das Zusammenleben der Projekte im Mehringhof gestellt, und das wird sich wahrscheinlich auch nicht ändern... Denk ich mir noch etwas mehr verunsichert: ja, woher soll ich denn das wissen, muß einem ja schließlich gesagt werden. Ich will ja mit meinem Interesse an verschiedenen Fragestellungen niemanden provozieren... Dann fällt mir wieder obige Anzeige ein und ich komm ein bißchen ins Schleudern: da gings doch aber um Kooperationsprojekte, oder hab ich falsch gelesen? Programm find ich keins, also noch mal 'n Blick ins Wandelsblatt: nö, hab schon richtig gelesen, Was 'n hier kaputt? Ich blicks nicht mehr ganz, aber es gibt ja gleich Mittagessen. Danach soll es weitergehen mit einem Besuch bei der UFA-Fabrikkommune mit anschließender Diskussion, abends lockeres Beisammensein. Grundsätzlich keine dumme Idee, aber die UFA-Fabrik ist doch - nach eigenem Selbstverständnis - auch kein Kooperationsprojekt. Wirklich eine äußerst merkwürdige Art, sich an das gestellte Thema heranzutasten, denkt sich da mein mittlerweile etwas durcheinandergeratenes Köpfchen. Aber wer weiß denn schon so genau, wie ein Durchlauferhitzer innen funktioniert, solange unten noch heißes Wasser rauskommt? Irgendwann muß der Gag ja mal kommen. Um es gleich vorwegzunehmen, an diesem Tag kam er nicht, und auch am nächsten ging es über die Darstellung des Zusammenschlusses verschiedener Berliner Technik-Kollektive nicht hinaus. Allerdings, und das sei hier nicht verschwiegen, bekam das Seminar nun langsam inhaltlich eine durchschaubare Struktur. Auch die letzte Zusammenkunft am Sonntag hatte mit den angekündigten Themen nichts zu tun. Und selbst das von Insidern mit Schaudern erwartete Fest am Samstagabend bei den Stattwerken konnte nicht halten, was es versprach: es gab hervorragende Cocktails, überragende Musik, und eine wie lang nicht mehr, durchtanzte Nacht. Ganz im Vertrauen: ein an alle Interessierte herumgeschicktes Informationsblättchen mit einer ausführlichen Selbstdarstellung der besprochenen Projekte hätte den gleichen Effekt gehabt und so manche lange Auto- oder sonst wie -fahrt überflüssig gemacht. Das Thema "kooperative Ansätze in der Alternativökonomie" ist tatsächlich zu wichtig, um es allein von AÖ-Gurus vorbereiten zu lassen. Ein nicht ganz aber etwas theoriefeindlicher Praktiker aus der Modellfabrik Weißkirchen/Oberursel |
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