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CONTRASTE

Aus CONTRASTE Nr. 252, September 2005

EINGESTIEGEN

Juchuh, ich bin Kommunardin (endlich) !!

Tja - was ist nun mitteilenswert für andere an einer so privaten Entscheidung, in eine Kommune einzusteigen? Oder ist es gar keine private Angelegenheit, schließlich gehört meine Kommune ja zu den "politischen"... Ich möchte euch gerne von meinem Weg in die Kommune Hof Rossee erzählen.


Bettinas Bauwagen

Bettina Kruse, Kommune Hof Rossee - Vor drei Jahren wollte ich eigentlich nur meinen Bauwagen hier zwischenparken, um ihn etwas zu renovieren und ihn dann zur Nutzung (Wohnraummangel) für sieben Monate hier zu lassen (während ich noch mal in die weite Welt wollte), um mir dann einen Wagenplatz zu suchen. Ich bin immer noch hier und jetzt auch "offiziell" Teil der Rosseer Rasselbande geworden.

Vielleicht lernt mensch nämlich einen so tollen Ort (hier natürlich auch geografisch) wie eine Kommune am ehesten aus der Ferne schätzen oder aus der Nähe kennen. Ich durfte beides. Dadurch, dass ich von Anfang an in den Alltag eingebunden war, also auch Plena mitgemacht habe und Dienste übernommen habe, ging das Kennenlernen (der Struktur) recht schnell. Und natürlich auch das Kennenlernen der Konflikte... Und überraschenderweise (für mich damals) war die gemeinsame Ökonomie (an der ich noch nicht beteiligt war) gar nicht der Konfliktherd schlechthin, sondern, wie auch heute noch, der Umgang miteinander und eben auch manchmal gegeneinander. Wie können wir uns wahrnehmen, uns wahrgenommen fühlen und uns dabei selbst nicht verbiegen und doch die Andere, den Anderen sein lassen? Das ist für mich die größte Herausforderung und auch der größte Reiz an dem Leben in Gemeinschaft und es scheint eine lebenslange Aufgabe zu sein, dass herauszufinden.

Aber bevor ich selbst zu verstrickt war, bin ich dann noch mal abgehauen. Neun Monate nach Dänemark, einmal über die Grenze und dann rechts ab. Also nicht wirklich weit weg, aber zum ersten mal in meinem Leben habe ich dort ganz alleine gelebt (na ja nicht ganz - meine Katze macht sich gerade bemerkbar, vermutlich, damit ich nicht vergesse, wie wichtig sie mir als Begleiterin ist). Aus der neuerlichen Distanz und auch durch den Freiraum, den ein solches Alleine-Leben erzwingt, hatte ich viel Zeit darüber nachzudenken, was Kommune für mich so anziehend und wertvoll macht. Denn ich habe bei meinem "Exil" tatsächlich Heimweh bekommen: nach dem Chaos, nach dem Gewusel und nach der Wärme.

Meine Ergebnisse des Nachdenkens: Erstens: In der Kommune muss ich nicht jeden Tag kochen und abspülen. Zweitens: Ich habe, wenn's mir gut oder schlecht geht, immer mindestens eine Person, zu der ich gehen kann, um das Erlebte (mit) zu teilen. Drittens: Die Kommune ist für mich eine Art geschützte Bucht, ein guter Ankerplatz in der Gesellschaft, die mich auch vor den Anmaßungen der "normalen" Welt schützt. Hier ist vieles Neuland, hier haben wir die Möglichkeit zu experimentieren, neue Wege zu gehen. Mal schaffen wir das und mal nicht. Viertens habe ich hier im Moment die Möglichkeit sowohl kopflastige und körperliche Tätigkeiten auszuüben. Sowohl extern zu arbeiten (in dem Bereich, den ich gelernt habe) als auch intern: hier auf der Baustelle und im Planungsteam, wo ich unendlich viel neues dazu lerne.

Ganz wichtig: Wenn mensch mal eine Zeit lang fort gewesen ist, ist es auch viel leichter, den Blick auf das zu richten, was schon erreicht/geschafft worden ist ohne den eingeschränkten Kommune-Tunnel-Blick, der nur auf die lange Liste fixiert ist, auf der steht, was alles noch gebaut, erreicht, entwickelt, geschafft und verbessert werden soll! (Zeitweiliges Exil für Alle! - das tut nämlich sehr gut). Außerdem (ich glaube, ich hör jetzt mal auf zu zählen) die Kinder, die eine großartige Bereicherung meines Lebens sind, die die unglaublichsten Fragen stellen und deren Lärm und auch Gemaule ich in meiner Ein-Zimmer-Bude sehr vermisst habe.


Bettina

Und natürlich meine MitkommunardInnen, denn die persönlichen Beziehungen sind in den letzten drei Jahren sehr gewachsen. Und das ist mir vielleicht auch der Punkt, der am wichtigsten erscheint: Zeit. Zeit, sich einer Kommune und ihren BewohnerInnen anzunähern, Zeit, ohne die ich jetzt nicht hier wäre, ganz einfach, weil ich sonst zu viel Schiss gehabt hätte. Mein Hier sein war ja nicht so geplant, es war mir noch nicht einmal klar, ob ich überhaupt ernsthaft Interesse daran hatte einzusteigen. Wenn es auch nicht immer ganz einfach war, so haben die Rosseer mir doch die Möglichkeit gegeben am Leben hier, an Kommune teilzunehmen, ohne eine Frist im Nacken: wenn nicht bis dann und dann entschieden, musst du gehen!

Diese Erfahrung weiterzugeben, dazu aufzurufen, die eigenen (Einstiegs-)Regeln nicht immer kompromisslos einzuhalten, nur weil mensch sie mal gemacht hat, dass ich den Raum und die Zeit hatte anzukommen, das ist mir wichtig mitzuteilen. Und spätestens hier ist das Private mal wieder politisch...

PS: Wer Lust hat, hier in Barkelsby nähe Kiel mal vorbeizuschauen, helfende Hände sind herzlich willkommen. Bitte aber vorher anrufen! Tel. 04351-880812

www.hof-rossee.de

 

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Stand: 07. August 2008