Monatszeitung für Selbstorganisation
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Aus CONTRASTE Nr. 264, September 2006KOMMUNE NIEDERKAUFUNGENFindet Oppenheimers Transformationsgesetz neue Bestätigung?1896 formulierte Oppenheimer sein Transformationsgesetz. Häufig wird es auf die Aussage verkürzt, dass innerhalb des Kapitalismus Produktivgenossenschaften nicht überleben können. Die Alternativen gehen entweder unter oder die Alternativen passen sich dem bestehenden System an. Ein Scheitern in der damaligen Zeit wurde allerdings an Kriterien gemessen, die heute nicht mehr alle angelegt werden. Ein Kriterium damals war die generelle Offenheit der Genossenschaft für alle. Diese überhöhte Anforderung wird heute nicht mehr aufrecht erhalten. Uli Barth, Kommune Niederkaufungen - Meines Erachtens ist dem gegenüber die Forderung der Überwindung der "Ausbeutung des Menschen durch den Menschen" immer noch zeitgemäß. Unabhängig von der materiellen Ausbeutung sollte keine Genossenschaft Arbeiter mit geringeren Rechten einstellen. Was nicht automatisch heißen muss, dass solche Konstrukte nicht auch über gewisse Zeiten hinweg zur Zufriedenheit aller funktionieren können. Wie immer im Leben wird es aber in den Konfliktsituationen spannend und in diesen bergen unterschiedliche formale Rechte, nicht die einzigen, aber auf jeden Fall sehr bedeutsame Ansätze für Herrschaftsausübung. Die Geschichte der Kollektivbetriebe der Siebziger und Achtziger Jahre scheint die verkürzte Auslegung der These von Oppenheimer zu bestätigen. In dieser Zeit entstanden viele alternativ wirtschaftende Betriebe, von denen heute kaum noch einer existiert. Die überlebt haben, haben sich zumindest stark angepasst, von den Idealen der Gründerzeit sind viele, wenn nicht alle, über Bord geworfen worden. Ende des Jahres feiert die Kommune Niederkaufungen ihr 20-jähriges Bestehen. Sicher hat sich auch bei uns in den 20 Jahren einiges geändert, aber in den wesentlichen Punkten der alternativen Ökonomie sind wir uns treu geblieben. Wir haben bislang keine Angestellten, wir haben eine bedürfnisorientierte gemeinsame Ökonomie, das Eigentum an Grund und Boden und den Produktionsmitteln ist im gemeinsamen Besitz, Hand- und Kopfarbeit sind nicht kategorisch getrennt, die geschlechtsspezifische Trennung im Arbeitsleben ist noch nicht total überwunden, aber es sind schon Schritte gemacht, in den Arbeitsbereichen gibt es keine Herrschaftsstrukturen (das heißt nicht, dass es keine Hierarchien gibt), .... Und trotzdem sehe ich Oppenheimer über uns schweben. Der Frage, ob wir nicht doch Angestellte oder zumindest PraktikantInnen in unseren Betrieben zulassen sollten, können wir uns immer weniger verschließen. Wir sind mit 57 Erwachsenen eine relativ große Gruppe, da sich diese Anzahl auf 11 Arbeitsbereiche verteilt, sind die einzelnen Kollektive trotzdem Kleinstbetriebe, die in der Regel sehr abhängig von einzelnen Personen sind. Eine Erfahrung aus unserer 20-jährigen Geschichte ist die, dass die KommunardInnen bei ihrem Einstieg zwar das Bild von einem Lebensprojekt haben, dass nach diesem Bild aber lange nicht von allen dauerhaft gelebt werden kann. Es ist eher schon die Regel als die Ausnahme, dass die Menschen, aus unterschiedlichsten Gründen, nach einigen Jahre die Kommune wieder verlassen. Was passiert nun, wenn Menschen aussteigen, die für einen Arbeitsbereich wichtig waren, wenn Menschen aussteigen, ohne deren Mitarbeit einzelne Bereiche nicht mehr weiter existieren können? Ein Kommunebetrieb ist mit den Menschen, die ihn trugen, ausgezogen. Das war einfach, weil im konkreten Fall keine KommunardIn diesen Betrieb weiterführen wollte. In anderen Fällen wurden bestimmte Produktionsteile bzw. Tätigkeitsschwerpunkte mit dem Weggang von KommunardInnen aufgegeben, ohne dass der gesamte Betrieb stillgelegt werden musste, es verlagerten sich nur die Schwerpunkte. Das war machbar, auch wenn es für einzelne schmerzhaft war. Aber halten wir es aus, wenn ganze Arbeitsbereiche oder wesentliche Teile stillgelegt werden müssten, wenn die Aufbauarbeit von vielen Jahren durch den Weggang einzelner Menschen zunichte gemacht würde oder sollten wir in solchen Extremfällen nicht doch jemand anstellen und den wirtschaftlich florierenden Betrieb weiterführen? Jahrelang arbeitete unsere Landwirtschaft auf Basis verschiedenster kurzfristiger Provisorien, viel Energie wurde in der Schaffung immer neuer Provisorien vergeudet. 1996 konnten wir endlich einen Resthof kaufen und damit die materielle Grundlage für einen funktionierenden Arbeitsbereich schaffen. In den Folgejahren wurde der Viehbestand aufgestockt, neue Leute kamen in den Arbeitsbereich. Produkte wurden entwickelt und die Vermarktung dieser Produkte kam in Schwung. Der Arbeitsbereich besteht jetzt aus drei Personen, leider stellt die Käserin jetzt ihr Sein in der Kommune in Frage. Sie macht eine Auszeit mit ungewissem Ausgang, das heißt, es ist nicht klar, ob sie zurückkommen wird. Eine Auszeit von einigen Monaten lässt sich überbrücken aber was passiert mit dem Arbeitsbereich, wenn sie nicht zurückkommt? Wir haben im Laufe unserer Geschichte schon oft Menschen mit bestimmten Qualifikationen gesucht, die auch Lust auf Kommune haben. In der Regel war diese Suche kurzfristig nicht erfolgreich. Es stellt sich also die Frage, stellen wir jemanden ein, der/die die Käserei als AngestellteR einstweilen weiterführt? In der Hoffnung, dass irgendwann wieder eine KommunardIn diesen Teil des Arbeitsbereichs übernimmt, was machen wir mit dem/der Angestellten, wenn sich eine neue KommunardIn für den Arbeitsbereich gefunden hat? Oder geben wir die gerade aufgebaute Käserei wieder auf, fahren den Tierbestand wieder runter und geben uns damit zufrieden, dass der Viehbereich nur zur reinen Selbstversorgung genutzt wird? Können wir uns einen solchen Selbstversorgungsbereich überhaupt leisten und was macht diese neue Situation mit den Menschen, die weiter in diesem Bereich arbeiten? Am ersten April haben wir einen neuen Arbeitsbereich eröffnet, eine Tagespflege für altersdemente Menschen. Die ersten Ideen diesen neuen Arbeitsbereich aufzubauen liegen 14 Jahre zurück. Um den Alltagsbetrieb zu führen, ist es notwendig, dass in den Öffnungszeiten immer wenigstens eine ausgebildete Alten- oder KrankenpflegerIn Dienst hat. Um diese Anforderung sicherstellen zu können, benötigen wir wenigstens drei ausgebildete Kräfte. Zur Zeit haben zwei KommunardInnen die entsprechende Ausbildung sowie eine Person, die noch in Probezeit ist. Was passiert, wenn letztere nicht einsteigt bzw. eine der langjährigen KommunardInnen mit Pflegeausbildung aussteigt, krank wird, Auszeit machen will, ...? Auf die Schnelle würden wir auch hier niemanden mit der notwendigen Qualifikation finden für einen Kommuneeinstieg. Neben der Anstellung bliebe vielleicht die Möglichkeit, die Öffnungszeiten zu reduzieren. Die Tagespflege wäre dann nur noch drei oder vier Tage die Woche geöffnet. Zur Zeit eine schwer erträgliche Vorstellung, wo wir doch gerade mit immensem Aufwand diesen Arbeitsbereich aufgebaut haben, sollten wir ihn dann auf 60% oder 80% seiner möglichen Kapazität begrenzen durch eine solche Entscheidung? Dies sind nur zwei Beispiele, die deutlich machen, welcher Druck auf die Einhaltung unserer alternativen ökonomischen Prinzipien besteht. Wirtschaftlicher Erfolg ist aber nicht das zentrale Ziel der Kommune, auch wenn wir ihn nicht soweit ignorieren können, dass die materielle Existenz gefährdet würde. Der wirtschaftliche Erfolg einzelner Arbeitsbereiche ist kein Ziel, das es rechtfertigt, jedes Ideal über Bord zu werfen. Zumindest sind wir aktuell in einer wirtschaftlichen Situation, die uns hier einen Entscheidungsspielraum lässt. Wir müssen nicht, um zu überleben, jeden Kompromiss eingehen, wir können es uns zur Zeit leisten, unseren Prinzipien treu zu bleiben, auch auf Kosten wirtschaftlicher Nachteile. Eine gewisse Wirtschaftlichkeit unserer Arbeitsbereiche ist nötig, Wirtschaftlichkeit ist aber für eine Kommune im Gegensatz zu einem kapitalistischen Betrieb nicht alles. Gerade darin besteht der wesentliche Unterschied. Unsere Alternative besteht darin, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, das heißt unter anderem, keine Herrschaftsausübung, was sich nur mit egalitären Strukturen umsetzen lässt. Die der Wirtschaftlichkeit nicht geopfert werden sollten. Oppenheimer'sches Transformationsgesetz"Nur äußerst selten gelangt eine Produktionsgenossenschaft zur Blüte. Wo sie aber zur Blüte gelangt, hört sie auf, Produktionsgenossenschaft zu sein." Franz Oppenheimer 1896 Aus CONTRASTE Nr. 244 (Januar 2005)KOMMUNE NIEDERKAUFUNGENArbeit in Gesellschaft und Kommune"Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen, Wie man schneller sägen könnte, und fuhren Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen Schüttelten die Köpfe beim sägen und sägten Weiter." (Berthold Brecht) Uli Barth, Kommune Niederkaufungen - Arbeitslosigkeit wird heute als das zentrale gesellschaftliche Problem angesehen. Wobei unter Arbeit Erwerbsarbeit verstanden wird. Vollbeschäftigung hält zwar niemand mehr für ein erreichbares Nahziel, unausgesprochen gilt es aber weiterhin als Fernziel gesellschaftlicher Visionen. Seit Mitte der Siebziger Jahre ist die Vollbeschäftigung passé, seit 1981 ist die offizielle Erwerbslosenquote in Deutschland nicht mehr unter 5% gesunken, seit Mitte der Neunziger liegt die Quote bei 10%, nicht berücksichtigt sind dabei die Menschen, die sich gar nicht mehr arbeitslos melden, bereits aufgegeben haben und die, die aus der Statistik rausgerechnet werden (Menschen in Weiterbildungsmaßnahmen, ABM-Kräfte, Menschen im vorzeitigen Ruhestand, ...). Die tatsächliche Beschäftigungslücke liegt eher um 17% (Ver.di). Trotzdem reden alle Politiker ständig davon, dass die Beseitigung der Arbeitslosigkeit eines der wichtigsten Ziele sei. Verwunderlich eigentlich, dass ihnen nach alle den Jahren noch jemand zuhört. Trotz abnehmenden Arbeitsvolumens (die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden aller erwerbswirtschaftlich Tätigen sank von 1960 bis 1990 um 20%, dieser Trend setzte sich auch nach der Wiedervereinigung fort) wächst die Produktion der gesamten Volkswirtschaft (von 1960 auf 1990 stieg das reale Bruttoinlandsprodukt auf das ca. 2,5-fache), als Folge der zunehmenden Produktivität. Gesellschaftlich verliert der Zwang zur Arbeit seine materielle Basis, der Grund für den Zwang zur Arbeit liegt immer deutlicher einzig und allein im Kapitalverwertungsinteresse. Wenn mensch das gesellschaftliche Denkverbot nicht befolgt, drängt sich die Frage auf, warum ist der abnehmende Arbeitsdruck nicht Ursache für paradiesische Zustände? Warum wird das zu einem Problem? Wir müssen immer weniger arbeiten für immer mehr Produkte und trotzdem treibt es immer mehr Menschen in die Misere; da stimmt doch was nicht; Was da nicht stimmt, lässt sich benennen: die kapitalistische Organisationsform der Gesellschaft. Arbeit & gesellschaftlicher ReichtumÜber Arbeit, genauer Erwerbsarbeit, wird die Stellung in der Gesellschaft bestimmt. Der Erwerbsarbeitsplatz entscheidet darüber, ob und wie ein Mensch teil hat an der Gesellschaft. Der Erwerbsarbeitsplatz ist für die meisten Menschen das entscheidende Kriterium für Lebensglück. Lebensglück ist natürlich nicht nur Konsum. Lebensglück völlig losgelöst von Konsum zu sehen ist allerdings eine Betrachtungsweise, die sich nur eine winzige Elite leisten kann. Arbeit war, zumindest nach der Theorie, bislang der wichtigste Faktor, nach dem der gesellschaftliche Reichtum verteilt wurde. Aus der Arbeit leitet sich Einkommen ab, über die Besteuerung der Arbeit und über die an die Arbeitseinkommen geknüpften Sozialabgaben, werden die Transfereinkommen (jegliche Sozialgelder, Kindergeld, Renten, Krankengeld, Sozialhilfe, Unterstützung für Arbeitslose, ...) finanziert. Trotz dieser hohen Bedeutung der Erwerbsarbeit ist es in unserer Gesellschaft reine Ideologie, wenn so getan wird, als sei die persönliche Leistung ausschlaggebend für die Verwirklichungsmöglichkeiten oder, ganz banal, den Verdienst, einer Person. Wir wissen, dass soziale Herkunft und Machtstrukturen viel entscheidender sind. Harte Knochenarbeit wird nur mit einem winzigen Bruchteil von dem vergütet, was ein Manager dafür bekommt, wenn er seine Arbeit schlecht macht und einen Konzern an die Wand fährt. Andere übervorteilen bis an die Grenze des Betrugs und darüber hinaus bringt es immer mehr Geld, als die Arbeit in Fabrikhallen und Büros. Aber diese Ungerechtigkeiten stellen nur die Spitze des Eisberges dar. Das gesamte System beruht darauf, dass die meiste und wichtigste Arbeit überhaupt nicht bezahlt wird. Ohne die unbezahlte Erziehungs-, Pflegeund Reproduktionsarbeit wäre die gesamte Erwerbsarbeit, die geleistet wird, nicht leistbar. Weiterhin beruht unsere Produktivität auch darauf, dass über Jahrhunderte bis heute andere ausgebeutet wurden und werden. Die Funktion von Arbeit und die an sie geknüpften Fiktionen werden trotzdem mit aller Macht am Leben erhalten. Arbeitslose sind selber Schuld an ihrer Lage, Arbeitslose sind faul, jedeR ist seines Glückes Schmied, wer arbeiten will, findet auch Arbeit, ... . Arbeit muss billiger werden, um weltweit konkurrenzfähig zu bleiben. Im kapitalistischen System gedacht ist das richtig. Tatsächlich muss Arbeit aber nur dann billiger werden, wenn mensch den Profit erhalten bzw. steigern will, wenn mensch akzeptiert, Profitmaximierung ist das höchste Ziel jeglicher Tätigkeit. Ansonsten könnte die, angebliche, nicht tatsächliche, Konkurrenzschwäche der "deutschen Arbeit" auch dadurch beseitigt werden, indem die polnischen oder weißrussischen ArbeiterInnen von ihren deutschen oder internationalen ArbeitgeberInnen endlich gerecht bezahlt würden. Soziale Errungenschaften werden geschleiftDie Arbeitseinkommen in Deutschland sind seit Jahren von der Produktivitätsentwicklung abgekoppelt, seit Jahren werden die über Jahrzehnte erkämpften sozialen Errungenschaften geschleift, aber die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau oder wächst weiter. Immer weniger Menschen haben sichere Arbeitsstellen. Immer mehr Menschen werden in Ich-AGs, Scheinselbständigkeit und ungeschützte Arbeitsverhältnisse gedrängt, mit der klaren Perspektive des Scheiterns, Verarmung, Überschuldung und Verelendung. Die ArbeitsplatzbesitzerInnen machen bezahlte und unbezahlte Überstunden, auf Kosten ihrer Gesundheit. Gleichzeitig verlieren weniger Willige und weniger Leistungsfähige ihre Arbeitsstellen, beides hat die Zunahme sozialer Spannungen, Entsolidarisierung und Verelendung zur Folge. Weitere Folgen davon sind, mehr Kontrolle und Überwachung durch den Staat, Abbau von Freiheit und Bürgerrechten. Menschliche Arbeit greift vielfach in den Naturhaushalt ein. Die sogenannten entwickelten Länder haben längst die Grenze dessen überschritten, was die Umwelt vertragen kann. Die Art des Lebens in Deutschland verursacht einen Naturverbrauch, der um das fünffache über einem naturverträglichen Wert liegt. D.h., die durch Arbeit erzeugten und durch Konsum verbrauchten Produkte können auf Dauer nicht in dieser Anzahl und mit diesem Umweltverbrauch hergestellt werden. Die Lebens- und Wirtschaftsweise in den reichen Ländern ist nicht nachhaltig, insbesondere dann nicht, wenn mensch berücksichtigt, dass sich, für ein friedliches Miteinander das weltweite Reichtumsgefälle entscheidend vermindern muss. Armutslinderung weltweit ist nicht ohne Reichtumslinderung zu haben. Tragbarer Wohlstand muss sich am Ressourcenverbrauch messen lassen können, dies ist nicht nur eine Sache der Ökologie, sondern auch eine der Gerechtigkeit. Das globale Gemeinwohl muss in einer globalisierten Welt ins Zentrum gerückt werden. Durch die vorherrschende Logik des individuellen Überlebens gerät die Überlebensfähigkeit der gesamten Menschheit in Gefahr. Ist in der Kommune Niederkaufungen alles anders?Wir haben ein anderes, nicht kapitalbestimmtes, mehr menschliches Verhältnis, zu Arbeit. Arbeit ist nicht nur das, was sich im Sinne des Kapitals verwerten lässt. Viel Reproduktionsarbeit ist der Erwerbsarbeit gleichgestellt. Kinderbetreuung und Hausarbeit sind Tätigkeiten, die während der "Arbeitszeiten" erledigt werden können. Eigenarbeit, Arbeit zur unmittelbaren Befriedigung eigener Bedürfnisse oder von Gruppen-Bedürfnissen ist gleichwertige Arbeit. Bearbeitung persönlicher und gruppendynamischer Konflikte ist in der "Arbeitszeit" möglich. Unterschiedliche persönliche Leistungsfähigkeit oder unterschiedliche Tätigkeiten bedingen keine unterschiedlichen Zugriffsrechte auf die gemeinsame Kasse. Bei uns ist die individuelle (Arbeits-)Leistung entkoppelt vom Konsumrecht. Nicht nur faktisch wie in der Gesellschaft, es existiert auch keine normative Kopplung. Wir versuchen nach unseren Fähigkeiten zu geben - zu arbeiten. Wir bedienen uns an den Gütern der Gruppe nach unseren Bedürfnissen, also ungleich und vor allem unabhängig von unserer individuellen Leistung. Das in der Gesellschaft vorherrschende Bild von Arbeit würde bei solchen Zuständen unterstellen, dass dann alle in der Hängematte liegen, nichts tun und warten bis die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Das entspricht nicht unserer Realität. Sonst würde das Experiment wohl auch kaum, bislang 18 Jahre, funktioniert haben. Richtiges & Falsches?Warum und wie funktioniert das? Arbeit ist auch in der Kommune ungleich verteilt, einige arbeiten sehr viel, andere weniger. Wie viel ich mich arbeitsmäßig einbringe, entscheide ich weitgehend selbst, niemand hat die Macht, mich zu etwas zu zwingen. Wo sind die Haken, wo die Konflikte? Es gibt Unzufriedenheiten und schlechte Gefühle zueinander. Die, die (vermeintlich) viel arbeiten, sind schlecht auf die, die (vermeintlich) wenig arbeiten, zu sprechen. Wenn ich mich als Arbeitstier sehe, sollte ich zunächst prüfen, ob meine Einschätzung von viel und wenig arbeiten richtig ist. Ich muss versuchen, die unterschiedlichen Arten von Arbeit zu berücksichtigen, vielleicht eintönige körperliche gegen vielfältige, befriedigende Vortragsarbeit. Ich muss versuchen die unterschiedlichen persönlichen Verhältnisse und Leistungsfähigkeiten zu beachten, Alter, Geschlecht, Qualifikation, aktuelle persönliche Situation, ... . Vieles hat sich dann schon relativiert. Wichtig ist aber auch noch zu sehen, dass es unterschiedliche Wertigkeiten geben kann. Der einen ist der Aufbau eines Arbeitsbereichs wichtig, dem anderen ein bestimmter Erziehungsstil, wieder anderen der Nachhaltigkeitsaspekt, einer hat ästhetische Ansprüche, andere legen Wert auf Selbstversorgung oder eine bestimmte Ernährungsqualität. ... Da gibt es kein einfaches "Richtig" und "Falsch", da muss ich Unterschiede aushalten können. Letztlich werde ich bei meiner Bewertung der Arbeitsleistung anderer auf mich zurückgeworfen. Denn, warum störe ich mich an der Arbeitsmoral des anderen? Warum arbeite ich denn so anders? Fühle ich mich ausgenutzt, dann könnte ich doch einfach weniger tun. Muss ich die Kommune retten (wovor?)? Das kann ich allein sowieso nicht. Ich kann das Gespräch suchen, mit der KontrahentIn oder mit anderen. Kann darauf vertrauen, dass andere das Problem sehen und reagieren. Ich kann das Thema Arbeit in die Gruppe einbringen und einen neuen Anstoß geben für eine Weiterentwicklung der Gruppe, wie von mir selbst. Wobei ich wissen muss, soziale Prozesse lassen sich nicht erzwingen, Entwicklungen laufen nicht sprunghaft, wirklicher Fortschritt lässt sich selten in Form eines einzigen Beschlusses fassen, er erfordert Veränderung in den Köpfen aller Beteiligten. Letztlich muss ich Umgangsweisen finden, Verantwortung für mich und andere übernehmen. Das klingt vielleicht nach Paradies, ist aber auch viel Arbeit, erfordert Toleranz, Offenheit und Transparenz und scheitert trotzdem oft genug für die einzelne KommunardIn. Als Versuch, der gesellschaftlichen Misere zu begegnen, lohnt das Experiment Kommune und kann zur Nachahmung empfohlen werden. KOMMUNE NIEDERKAUFUNGENDie Kommune Niederkaufungen besteht seit 1986 in Kaufungen, 10 km östlich von Kassel. 56 Erwachsene und 19 Kinder/Jugendliche leben heute dort. Das Leben in der Kommune basiert auf folgenden Grundsätzen: * zusammen leben und kollektiv arbeiten; * gemeinsame Ökonomie; * Entscheidungsfindung im Konsens, d.h. Entscheidungen, die alle betreffen, müssen von allen getragen werden; * linkes Politikverständnis; * Abbau von Hierarchien und geschlechtsspezifischen Machtstrukturen; * nachhaltige (ressourcen- und energieschonende) Wirtschaftsweise. Unser Schritt, gemeinsam zu leben und zu arbeiten, ist ein Versuch, uns gegen die Strömung der Zeit wieder in Kreisläufe einzubinden. Dass das nicht einfach ist, merken wir fortwährend. In unserer Gesellschaft sind wir es kaum noch gewohnt, gemeinsam zu handeln. Die Vereinzelung ist zur Gewohnheit geworden. Wir wollen mit der Kommune in allen wesentlichen Bereichen menschlicher Grundbedürfnisse - Ernährung, Gesundheit, Wohnen, Bildung - tätig sein. Auf dieser Grundlage wollen wir nicht nur für uns sondern auch für andere ökologisch und sozial verträgliche Produkte und Dienstleistungen herstellen und anbieten. Bisher wurden folgende Arbeitsbereiche aufgebaut: * Tagungshaus * Großküche, Partyservice (Komm-Menü) * Gemüsebau (Rote Rübe) * Bauernhof (Hof Birkengrund) * Kindertagesstätte (Wühlmäuse) * Baufirma (Komm-Bau GmbH) * Schlosserei * Schreinerei * Näh- und Lederwerkstatt * Verwaltung * Tagespflege Lossetal ist im Aufbau Kommune Niederkaufungen e.V. Kirchweg 1 D-34260 Kaufungen Tel: +49 (0)5605 80070 E-Mail: info@kommune-niederkaufungen.de |
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