Monatszeitung für Selbstorganisation
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Aus CONTRASTE 324 (September 2011, Seite 12) EIN TREFFEN VON 300 MENSCHEN AM RAND VON KAUFUNGENLos Geht’s 2011 und was daraus werden kannZum Los Geht’s lädt das Netzwerk der politischen Kommunen Kommuja ein. Dieses Netzwerk umfasst ca. dreißig linkspolitische Gemeinschaften. Es kamen viele Interessierte und es stellten sich auch 27 verschiedene Gemeinschaften und Gründungsgruppen vor. Diese hohe Zahl macht deutlich, dass der Bedarf nach gemeinschaftlichen Lebensformen weiterhin ungestillt ist. Von Steffen Andreae, Kommune Niederkaufungen # Eine Frage, die zurzeit viele Gemeinschaften beschäftigt, ist, wie es gelingen kann über die einzelne Gemeinschaft hinausgehende ökonomische, soziale und politische Strukturen zu schaffen. »Geländeübergreifende Gemeinsame Ökonomie« war schon vor einigen Jahren Thema und es gibt auch erste Ansätze, jedoch noch keine ausgearbeitete Form. Eine Form dieser geländeübergreifenden Struktur könnte ein gemeinsamer Immobilienpool für die Gemeinschaften sein. Möglicherweise erfordert dies jedoch eine zu komplexe Struktur, die den dezentralen und damit sehr stabilen Ansätzen entgegen läuft. Zunehmend mehr, gestärkt durch die konkreten Nah-Netzwerke, tauchen der Tauschhandel und vernetzte Handelsbeziehungen auf. Hier schließt sich die Überlegung an, bei Gruppengründungen mitzubedenken, ob die bewusste Ansiedlung in der Nähe einer bestehenden Gemeinschaft nicht sinnvolle Synergien freisetzt. Thematisch war auch in diesem Jahr die ganze gründungsrelevante Bandbreite abgedeckt: Gemeinsame Ökonomie, Konsens, Politisches Selbstverständnis. Radikale Therapie, Gewaltfreie Kommunikation, Forum, Permakultur, Finanzierung, Struktur, Banken. Neu beim Los Geht’s 2011 war, dass es auf einem Gelände stattfand, welches zum Verkauf steht. Es handelt sich um eine 10.000 qm große Fläche mit einem heruntergekommenen Hof, eine 500 qm große Scheune ohne Dach und einem kleineren Haus, welches als einziges derzeit »bewohnt« werden könnte. Der Hof war einer der wenigen Vierseitenhöfe der Gemeinde, das Haupthaus kann also komplett umfahren werden. Auf dem Gelände war der Dorfbrunnen, der Leichenwagen (Kutsche) der Gemeinde fand hier seinen Platz und die Feuerwehr hatte dort zwei Löschfahrzeuge stehen. Die Bauruine reißt eine störende Lücke in das Gesamtbild der Gemeinde, das Denkmalamt hat ein Auge drauf und die Nachbarn wünschen sich eine Belebung und stehen dem Gedanken, dass sich dort eine Gemeinschaft ansiedelt, aufgeschlossen gegenüber. Am Ortsrand gelegen hat man zum einen das Gefühl draußen zu sein; östlich grenzen belebte und verwaiste Gärten das Grundstück ab, dahinter öffnet sich das Lossetal. Zugleich fühlt es sich jedoch auch an, als wäre man mitten in der Kaufunger Altstadt; der Blick geht zur Stiftskirche und über die Häuser der Altstadt. An Kaufungen ist zudem interessant, dass es hier schon eine große Gemeinschaft gibt, welche im Ort akzeptiert und etabliert ist. Die Kommune Niederkaufungen (62 Erwachsene und 21 Kinder) liegt am anderen Ortsende von Kaufungen und entstand 1986. Die Akzeptanz der Gemeinde zeigt sich auch darin, dass der Bürgermeister von sich aus am Sonntag Interessierten einen Rundgang durch die Gemeinde anbot und auch durchführte. Zudem waren viele Vertreter der Gemeindevertretung kurz zu Besuch und informierten sich über das Treiben auf dem Hubenthalhof, wie einige interessierte NachbarInnen auch. Das Gemeinschaftsnetzwerk im Kasselerer Raum wird durch die Gemeinschaft Gastwerke, die Villa Locomuna und das Wohnprojekt Agathe noch dichter. Die Rote Rübe (Gemüsebetrieb der Kommune Niederkaufungen)und das Wurzelwerk (der Gemüsebetrieb der Gastwerke) haben 2011 eine Community Supported Agriculture gestartet. Die Vernetzung nimmt hier also konkrete ökonomische Formen an. Die auf dem Los Geht’s entstandene Hubenthalhofgruppe ist mittlerweile ca. 30 Personen groß. Derzeit wird am Finanzierungskonzept gearbeitet und ein Grundsatzpapier verfasst. Zugleich muss eine Vision für den Ort gefunden werden, mit der in die Verhandlungen mit der Erbengemeinschaft und der Gemeinde getreten werden kann. Finanzierung der neuen Gemeinschaft Die Verhandlungen über den Kauf des Geländes, die Gespräche mit der Erbengemeinschaft, dem Bürgermeister, dem Denkmalamt beginnen im September. Auch mit den Banken muss ab September verhandelt werden. Die Gruppe wird also – wie alle Gruppen, die etwas kaufen wollen, was das Barvermögen übersteigt – einen Kredit aufnehmen. Doch wieso sollte auch diesmal wieder eine Bank ins Grundbuch an die erste Stelle eingetragen werden? Wenn sich Gemeinschaften zusammenfinden, die der neuen Gruppe einen gemeinsamen Kredit geben, um das Objekt zu kaufen, dann würden die Zinsen nicht wieder den Banken gehören, sondern sie verblieben im linkspolitischen, alternativen Spektrum. Eine bestehende Gruppe, die Geld bei der Bank angelegt hat, möchte damit Zinsen erzielen. Gelegentlich wird Geld mit niedrigen Zinsen angelegt, welches dann von den Banken (insbesondere der GLS Bank) wieder günstig an andere Gemeinschaften abgegeben werden kann. Der Gruppe wäre es lieber, wenn sie das Geld aus dem verzweigten Netzwerk der Gemeinschaftsszene und nahestehenden Personen leihen könnte. Dann fließen auch die Zinsen wieder sofort an sinnvolle Einrichtungen, Gruppen, Kommunen, Gemeinschaftsdörfer zurück. Die Grundbucheinträge blieben in der Szene, die Banken wären draußen. Keine Geldgeschäfte ohne Risikoabwägung Die neue Gruppe wird zuerst damit beginnen müssen, den alten Hof wieder zu errichten. Diese Arbeit wird nach derzeitiger Planung ca. 4 Jahre in Anspruch nehmen. Dann bleibt, auch bei einem denkbaren Auseinandergehen der Gruppe, ein 10.000 qm großes, sehr attraktives Grundstück in zentraler Lage übrig. Kaufungen ist aufgrund der Nähe zu Kassel auch als Wohnort weiterhin attraktiv. Auch wenn es – so hofft die Vernunft – nicht zu einer Ausweisung neuer Baugebiete kommt, beschäftigt sich die Gemeindevertretung doch immer wieder mit Anträgen dieser Art. Manche Gemeinschaften und natürlich viele Privatpersonen legen Geld z.B. für ihre Rente zurück. Dieses Geld wird nachhaltig und sinnvoll angelegt. Dabei wird ein Spagat zwischen ökologischer, nachhaltiger und ethisch korrekter Anlage und ausreichendem Zinsgewinn versucht. Das ist sinnvoll, bleibt aber anfällig für die Turbulenzen am Finanzmarkt. Eine Investition in ein entstehendes Projekt mit guter Überlebenschance und einem erkennbaren Wiederverkaufswert hat eine soziale und ökologische, wie auch eine finanzielle Rendite. Das ist dann Community Supported Communitybuilding. CSC! (In Anlehnung an Community Supported Agriculture). LeserInnen und Gemeinschaften, die sich eine solche Unterstützung der Gruppe vorstellen können, können sich bei Elke melden. (tannita(at)gmx.net) Links zum Thema: Netzwerk der politischen Gemeinschaften – www.kommuja.de, Homepage Los Geht’s: www.losgehts.eu Zum Autor:Steffen Andreae beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Gemeinschaften. Mitgründer der Villa Locomuna in Kassel. Lebt und arbeitet in der Kommune Niederkaufungen. Mitglied der Gemeindevertretung in Kaufungen. Derzeit aktiv in der Gründungsgruppe Hubenthalhof. |
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