VON BOLO’BOLO ZU KRAFTWERK1, KRAFTWERK2 USW... USW...
Rundumpaket Lust & Luxus
Foto: Katrin Simonett
Im Jahre 2011 konnte das Wohnprojekt
KraftWerk1 in Zürich seinen 10. Geburtstag feiern und die gleichnamige Bau- und
Wohnungsgenossenschaft konnte 2010 bereits auf ein 15jähriges Bestehen
zurückblicken. Sicherlich gibt es ältere Bau- und Wohnungsgenossenschaften,
aber das interessante an diesem Projekt ist, dass dies ein Ergebnis der Zürcher
Jugendrevolte zu Beginn der 1980er Jahre war, mit seinen Kämpfen umWohnraum,
den HausbesetzerInnen. Und am Anfang war ein Buch: Bolo’bolo vom Schweizer
Autor P. M.
Von Jochen Knoblauch, Berlin #
»Wer hat’s erfunden? Die Schweizer.« Nun, dass wäre mit Sicherheit etwas
übertrieben. Der Wunsch nach einem solidarischen, einem guten Leben ist
sicherlich so alt wie die Menschheit, und die recht betuchte Schweiz nicht
zwingend der Ausgangspunkt für revoltierende Massen. Aber 1980-1982 erlebte
auch die Schweiz für ihre Verhältnisse recht radikale Kämpfe um bezahlbaren
Wohnraum.
In diese Zeit tauchte ein kleines Büchlein mit dem
kryptischen Titel Bolo’bolo auf. Der Autor wählte als Pseudonym die Initialen
P. M. (die häufigsten Buchstaben im Zürcher Telefonbuch), um nicht als
Leitfigur einer undogmatischen Linken hingestellt zu werden. Ebenso, wie in
seinem Buch, ging es um Vorschläge, um eine »reale Utopie«, die sofort
umsetzbar sei, wenn nur genügend Menschen mitmachen würden. Ganz so einfach
ist die Sache dann doch nicht, aber aus der Bolo’bolo-Idee wuchs langsam aber
stetig mit langen Diskussionen und Kämpfen die Idee zu »KraftWerk1« heran.
Es war die Beharrlichkeit der AktivistInnen, der Glaube
daran, dass Wohnen nicht immer auch teuer sein muss, dass Ökologie kein
Verzicht bedeutet, dass biologische Ernährung nicht nur BesserverdienerInnen
vergönnt ist. Ein Rundumpaket wo Lust und Luxus mit drin sein sollte, wo alles,
wofür die Straßenschlachten der 1980er Jahre standen, umgesetzt werden sollte.
An den hohen Ansprüchen sind schon manche Projekte zerbrochen. Auch KraftWerk1
musste auf seinen langen Weg über 5 Jahre verschiedene Probleme lösen,
Kompromisse machen. Wenn etwa von Seiten der Radikalen KraftWerk1 die
Zusammenarbeit mit Banken vorgeworfen wird. Aber wenn wir schon nicht alle
Banken ausrauben können, warum dann nicht deren Geld für unsere Häuser
benutzen? (Wer letztlich natürlich wen benutzt, bleibt eine Frage der
Ideologie.)
Und bei aller Kritik: Die KraftWerklerInnen mischen
sich auch weiterhin in stadtpolitische Kämpfe ein, sie begnügen sich nicht nur
mit ihrem warmen Plätzchen, sondern es geht weiter... Im Februar 2012 wurde
KraftWerk2 bezogen, KraftWerk3 scheint gescheitert zu sein, aber inzwischen gibt
es weitere Menschen, die an Kraft- Werk4 stricken. Auch das ist eine Bolo’bolo-Idee:
Jeder Stein, der ins Wasser fällt, verursacht Wellen. Und somit trägt die Idee
weiter und immer mehr Menschen schließen sich ihnen an, bzw. bauen –
wortwörtlich – auf bestehende Erfahrungen auf und treiben das Gesamte weiter
voran.
Die Idee bzw. das Projekt KraftWerk1 ist ein Teil einer
Bewegung, die auf Genossenschaften, auf solidarisches Handeln und soziales
wirtschaften abzielt. Ein Mosaiksteinchen. Aber je entfernter die Draufsicht auf
das Ganze ist, desto deutlicher wird das Bild sein. Ein KraftWerk an das andere,
bis es – zumindest in der Schweiz – zu einem Neustart kommt. Allein die Idee
besitzt schon viel Kraft, so wie eben aus einem kleinen Büchlein eine recht
große Genossenschaft geworden ist.
P. M. gibt in seinem Artikel einen kleinen
geschichtlichen Überblick. Andreas Hofer, einer der Mitbegründer der
Genossenschaft KraftWerk1, nähert sich unserem Thema eher auf theoretischer
Ebene mit der Frage nach der Partizipation in Genossenschaften und ein kleines
Interview mit dem Verleger, Buch- und Weinhändler Thomas Geiger sollen einen
kleinen Einblick in den Alltag von KraftWerk1 geben.
Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10
SCHWERPUNKTTHEMA
P.M., Bolo’Bolo und KraftWerk1 Vom Vom zum Zum Seite
7
Genossenschaftliche Partizipation als
Zukunftslabor Seite 8
Interview mit einem KW1-Bewohner: »MieterInnen mit
Sinn für’s Kollektiv« Seite 9
Pantoffelbar und Circolo: Zu Besuch im KraftWerk1 Seite
10