Monatszeitung für Selbstorganisation
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Computer in Druckerei-KollektivenJürgen von Oktoberdruck und Rainer und Detlef vom "Mikado"-Software-Kollektiv hatten geladen und 13 Menschen waren gekommen. 12 Männer und 1 Frau. Sieben von uns hatten schon Erfahrung im Umgang mit Rechnern: Kalkulation, Finanzbuchhaltung, Texterfassung und -verarbeitung), und die anderen waren in ihren Kollektiven am Grübeln, ob sich's vielleicht doch lohnt, einen Computer anzuschaffen, wofür man ihn verwenden kann und was das kostet. Speziellere Fragen – wie z.B. nach der Einsatzmöglichkeit von Computern zur Erhöhung der Arbeitssicherheit – und allgemeinere (sind die Dinger überhaupt sinnvoll in Kollektiven?) konnten nicht behandelt werden. Die Diskussion war so schon weitschweifig genug. Diskussion ist vielleicht überhaupt das falsche Wort dafür. Eher war's – zumindest am ersten Tag – ein umfangreicher, sich labyrinthisch entwickelnder Austausch von Erfahrungen und Bedenken zum Einsatz von Computern in unseren Kollektiven. Wir nahmen uns die Zeit, bei Einzelfragen zu verweilen: Gibt's auch empfehlenswerte Geräte von Nicht-Multis, oder können wir der Unterstützung dieser Konzerne gar nicht entrinnen, weil auch Systeme kleinerer Firmen aus Bausteinen hergestellt sind, die nur die Multis produzieren? Ist es möglich, ein gemeinsames Kalkulationsprogramm für Kollektivbetriebe zu entwickeln? Tötet der Einsatz von Computern menschliche Beziehungen zwischen Kollektiv und Kundschaft? Z.B. beim computerisierten Mahnwesen? Einwand: Der Computer schickt die Mahnungen ja nicht raus. Er erinnert nur daran! Gegeneinwand (der allerdings auf den Wintertagen nicht fiel, sondern mir erst beim Schreiben dieses Protokolls in den Sinn kam): Wie lange wird es dauern, bis auch das Überprüfen von Zahlungseingängen und das Eintüten von Geschäftsbriefen als langweilige Arbeit erkannt und an eine computergesteuerte Brief-Versand-Maschine mit speichelunabhängiger Briefmarken-Aufklebe-Vorrichtung delegiert wird? Führt der Einsatz von Computern bei der Auswertung auftragsbezogener Daten zwangsläufig zur verschärften Kontrolle am Arbeitsplatz? Und wer kontrolliert wen im Kollektiv? U.s.w. Eindeutige Antworten gab's in keinem Fall. Feststellbar war aber (bis auf eine Ausnahme) eine allgemeine Tendenz, diese Technologie anzunehmen und mit Bedacht anzuwenden, ohne Wunderdinge davon zu erwarten. Auch besteht ein großer Bedarf nach Erfahrungsaustausch und Beratung – nicht durch abschlußgeile Vertreter von Computerfirmen, sondern durch erfahrene Menschen unseres Schlages. (Dank an die beiden Mikados, Prädikat: Empfehlenswert.) Und wenn mich nicht alles täuscht, könnte die Computertechnologie dank ihrer schnellen Entwicklung und der damit einhergehenden Tendenz zu erschwinglichen Preisen die Technologie sein, in der Kollektivbetriebe nicht mangels Money durchschnittlich 10 Jahre hinterherhinken, sondern sich ebensogut ausrüsten können wie andere Betriebe ihrer Größenordnung. Und vielleicht werden wir – durch unsere kritische Einstellung zu diesen Geräten, durch Erfahrungsaustausch und sachliche Beratung – in der Lage sein, sie vernünftiger einzusetzen als die bürgerliche Konkurrenz, die auf Werbeprospekte angewiesen ist. (Bitte keine ernsthaften Einwände! Man wird doch wohl noch ein bißchen träumen dürfen!) Ich meine jedenfalls, daß nicht nur die Technologie uns eingeholt hat, sondern auch eine gewisse, mit ihr verbundene Faszination, die sich zwar nicht in Begeisterungsstürmen (wir sind ja schließlich so kritisch-vernünftig), wohl aber in unserer Sprache zeigt: Da werden Programme "gestrickt"; "Bedieneroberfläche" ist nicht etwa die sonnengebräunte Haut des Tippers, sondern der auf dem Bildschirm sichtbare Teil des Programms. "Datenübertragung", "integrierte Systeme", "Software", "Systemanalyse" sind nicht länger Begriffe aus Science-Fiction-Romanen oder wissenschaftlichen Wörterbüchern, sondern Teile einer neuen Umgangssprache – auch innerhalb der Kollektivszene. Heiner, "Bundschuh"-Druckerei Freiburg |
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