EG-Anhörung Dortmund:
...der Zweck blieb auf der Strecke!
(Red. Bremen) Auf Vorschlag der EG hin hatte die Stadt Dortmund am 10./11.
Juni 1985 zur EG-Anhörung "Entwicklungschancen örtlicher
Beschäftigungsinitiativen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit" eingeladen.
Auf dem Abschlußplenum wurde von den Vertretern der Stadtverwaltung sehr
deutlich gemacht, daß nicht die Stadt Interesse an der Veranstaltung bekundet
hatte, sondern die EG.
Diese Klarstellung diente den Verwaltungsvertretern und den sehr wenigen
politischen Vertretern und Vertreterinnen der Stadt als Entschuldigung, daß sie
sich im Laufe der Tagung immer sehr bedeckt hielten und keine Einschätzung aus
ihrer Sicht gaben.
Der Aufbau und der Ablauf der Veranstaltung spiegelte diese Lustlosigkeit
wider. Die Stadt hatte die Themen der Arbeitsgruppen bestimmt (nur eine Gruppe
benannte sich einfach ein bißchen um) und hatte alternative und andere
Referenten eingeladen. Die Einführungsreferate waren als solche nicht
uninteressant, aber z.T. leider wenig auf die Region bezogen (z.B.
"Recycling" als Markt und Aufgabe von Beschäftigungsinitiativen -
Beispiele aus der Schweiz). Einmal mehr setzte sich die unnachahmliche
Fähigkeit von manchen Referenten durch, ungerührt von Müdigkeit, Hunger oder
Interesse der Zuhörer/innen, ihre Referate zu Ende zu bringen, nicht ohne
vorher darauf hinzuweisen, daß er sich kurz fassen will.
Themen der Arbeitsgruppen:
1) Schwierigkeiten und Chancen beim Aufbau selbstverwalteter Betriebe;
2) Arbeitskräftepool - Arbeitnehmergesellschaften;
3) Beschäftigungsinitiativen im Kulturbereich - Marktnischen in der freien
Kulturarbeit;
der für Montagabend geplante "Info-Treff wurde nur von ca. 30 der
insgesamt 150-200 Teilnehmer/innen wahrgenommen.
Am Dienstag gings weiter mit:
4) Notwendigkeit, Schwierigkeiten und Chancen von
Ausbildungsinitiativen;
5) Aus der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit:
Beschäftigungsinitiativen als Weg der Beschäftigungslosigkeit;
6) Chancen und Grenzen von Sozialarbeit außerhalb der klassischen Träger.
Beschäftigungssichernde Perspektiven? (umbenannt in: Chancen und Grenzen von
Sozialarbeit von kleinen Trägern)
Der Dienstag machte für alle Teilnehmer/innen unübersehbar deutlich, daß
große Teile derjenigen nicht da waren, die die alternative Ökonomie ausmachen
und tragen. Im Vorfeld der Tagung hatten einige Netzwerk-Projekte beschlossen,
nicht teilzunehmen. Am Dienstag kam der Boykottaufruf:
Projekte im Netzwerk fordern zum Boykott der Tagung auf!!!
"Beim Initiativen-Tag am 6.6.1985 wurden die Erfahrungen der Projekte
bei Aufbau und Finanzierung ausgetauscht, bei der EG-Tagung fehlen die
Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung. .... Das Erscheinen der Projekte
wird als Eigeninteresse vorausgesetzt. Dabei wird übersehen, daß infolge des
Tagungstermins für die Projekte zwei Arbeitstage ausfallen. Ein finanzieller
Ausgleich für die Projekte erfolgt nicht, .... Das Ziel dieser Tagung ist in
erster Linie zur Schaffung, Förderung und Stärkung zwischengeschalteter
Unterstützungsstrukturen für die örtlichen Beschäftigungsinitiativen
beizutragen. Dabei ist die Weichenstellung diesbezüglich auch ohne Tagung und
ohne Beteiligung der Projekte längst klar....."
Das Abschlußplenum ist entsprechend langweilig und ohne wirkliche
Kontroverse. Es gab keinen Streit, keine Provokation (wie immerhin in der ersten
Arbeitsgruppe) um die Forderung der Projekte. Hier hätten Forderungen der
Projekte, die den Boykott beschlossen, wie Zündbomben wirken können. Die
Protokolle der Arbeitsgruppen waren diesbezüglich sehr allgemein und
zurückhaltend, z.B. AG 4: "Einführung eines Lehrstellengesetzes", AG
5: "Neben personenorientierter Förderung, ABM, ist eine Projektförderung
nötig! Ein "Beschäftigungs"-Fonds-Programm darf kleinere Träger
gegenüber größeren Trägern (z.B. Wohlfahrtsverbänden) nicht
benachteiligen." AG 3: „.... verstärkte Projektfinanzierung durch
Kommune und Land sowie die Einrichtung fester Haushaltspositionen für die
Förderung der freien Kulturarbeit."
Ein für die zukünftige Diskussion sehr wichtiger Punkt ist die klare
begriffliche Trennung von "alternativen Projekten",
"Beschäftigungsinitiativen", "selbstverwaltete Betriebe",
.... Bis zuletzt versuchten einige wohl absichtlich, einige mangels Durchblick,
diese verschiedenen Gebilde in einem Topf zu mischen. Die EG meint jedenfalls in
ihren offiziellen Papieren, Beschäftigungsinitiativen in dem verkürzten Sinne
von Maßnahmen, die ausgegrenzten Personenkreise, Arbeitsplätze und Einkommen
zu verschaffen. Die Probleme, die Beschäftigungsinitiativen haben werden,
werden mit denen verglichen, die die mittelständische Wirtschaft als Ganzes
konfrontiert. Dieses Verständnis wird von vielen, die jetzt arbeitslos werden
und nicht der "Szene" angehören, dankbar aufgenommen. Unterschiede,
"neue Qualität von Arbeit", "ökologisch",
"sinnvoll", "sinnmachendes" Arbeiten, bleiben dabei auf der
Strecke. Schade, denn genau betrachtet liegt in der Übersetzung von "employment
initiatives" in "Beschäftigungsinitiativen" mehr drin, als nur
die Verwertung meiner Arbeitskraft.
Hanne, Netzwerk Dortmund