Monatszeitung für Selbstorganisation
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Organisationsmodell:Von Direktkrediten zur ÖkobankWer kennt das nicht. das x-te Plenum, bei dem die fehlende Kohle zentral auf der Tagesordnung steht. Und immer dieselbe Leier. Der Betrieb hat zwar nicht schlecht gewirtschaftet, aber dazu, die fälligen Kredite zurückzuzahlen, dazu reichts einfach wieder mal nicht. Also wieder umschulden.![]()
Dennoch reicht das neu geschaffene Instrumentarium der DirektkreditVermittlung nicht aus, die Finanzierungsprobleme der Betriebe zu lösen. Es handelt sich nach wie vor um Kurzzeit-Kredite, d.h. die Tilgungslasten sind in der Regel hoch. Die Entscheidung verbleibt beim Kreditgeber, d.h. es kann einem Betrieb auch passieren, daß er keinerlei Kredit kriegt, obwohl er die Voraussetzungen in gleicher Weise wie alle anderen erfüllt. Besonders problematisch wird das bei notwendigen Folgekrediten. Immobilien und andere Großvorhaben sind nur schwer zu finanzieren, weil es dabei immer um lange Laufzeiten geht und nur große Summen, d.h. eine Vielzahl von Kreditgebern muß für solche Projekte gewonnen werden. Und der gewichtigste Einwand schließlich aus der Stattwerke-Praxis des letzten Jahres: es kommt insgesamt nicht genug Geld zusammen, die Mentalität des deutschen Sparers verlangt nach Sicherheiten und nach einem Modus der Abwicklung, den er kennt und in dem er solche Sicherheit vermutet. Aus dieser Erfahrung leitet sich logisch ab die Entwicklung von Instrumenten, die die Sicherheit gewährleisten können und die Entwicklung einer eigenen Bank, die über diesen Status und die damit gegebenen Möglichkeiten allseits vertrauter Abwicklung Seriösität und Sicherheit garantiert. Gegründet werden sollen sog. Kredit-Garantie-Gemeinschaften. Dies sind Einrichtungen, die nach dem Kreditwesengesetz (KWG) funktionieren, aber nicht wie Banken Geld verleihen, sondern dem Kreditnehmer die notwendigen Bürgschaften zur Verfügung stellen, damit er bei der ,,Hausbank" den gewünschten Kredit auch kriegen kann. Gespeist werden solche Kreditgarantiegemeinschaften aus Mitteln der öffentlichen Hand, aus halbstaatlichen Mitteln und aus Eigenbeiträgen der beteiligten Betriebe. Es gibt solche KGGs in allen Bereichen der Industrie, des Handwerks und des Handels (angeblich um die 350 KGGs in der BRD). Nicht selten werden sie genutzt, um ,,verdeckt" zu subventionieren, indem zusätzliche Rückbürgschaften des Landes gewährt und die Verluste der jeweiligen KGG damit (= aus Steuergeldern) immer wieder ausgeglichen werden. Eine Kreditgarantiegemeinschaf kann nach dem KWG Bürgschaften leisten bis zum 18-fachen ihres Einlagenkapitals. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: in Hessen wird die Gesamtheit der Betriebe als Verein (Verband) zu 100% Besitzer de KGG für Selbstverwaltung GmbH. Diese erhält ihr Betriebskapital von 2 Mio. Mark als einmalige Zuwendung aus Landesmitteln (wird derzeit verhandelt im sog. ,,7-Mio Programm"). Danach sind die hessischen Betriebe in der Lage, mit diesem Instrument, bei dem nur sie selbst das Sagen haben, Kredite zu verbürgen bis zur Gesamthöhe von 36 Mio. Mark (wobei die Bankenaufsicht am Anfang mit Hinweis auf das angeblich erhöhte Risiko bei Krediten von selbstverwalteten Betrieben den Multiplikator 18 sicherlich auf 10 oder sogar 5 herunterschrauben wird; aber auch das bleibt dann noch eine bedeutende Manövriermasse). In Berlin gibt's (noch) kein 7-Mio-Programm, aber auch dort stehen die Chancen zur Gründung einer KGG Selbstverwaltung nicht schlecht. Hier ist - soweit ich weiß - die Kirche bereit, einen größeren Betrag beizusteuern. Das hessische Modell - hoffen wir - wird Pilotfunktion für andere Bundesländer haben, so daß in zwei, drei Jahren auf Länderebene überall solche Kreditgarantiegemeinschaften für den selbstverwalteten Bereich existieren. Schwieriger zu bewerkstelligen ist die Sache, die das gesamte Selbstfinanzierungskonzept abrundet und zu einer hieb- und stichfesten Angelegenheit macht: die Gründung der eigenen (Öko-)Bank. Sie soll die Bank werden, über die die gesamte Bewegung ihre Finanzierungsgeschäfte abwickelt. Die Summe der Finanztransaktionen, d.h. der Kredite, der Spargelder usw. aller Leute, die sich zur Bewegung" zählen ist - da braucht man nicht hochzustapeln - enorm. Und an allen diesen Geschäften verdienen die Banken, d.h. genau die, die am allerwenigsten Interesse daran haben, daß sich die Gesellschaft in der von uns gewünschten Richtung verändert. In dem Moment, wo wir mit Geld umgehen, stabilisieren wir also das System, das wir bekämpfen. Und dies deshalb, weil es keine Alternative gibt. Die Alternative zu Geldgeschäften überhaupt wird es wohl auch auf längere Sicht nicht geben. Eine Alternative zu den bestehenden Banken zu schaffen aber liegt in unseren Möglichkeiten. Motto: man nehme, nämlich 6 Mio. Mark Eigenkapital und zwei befugte Bankleiter und beantrage damit die Zulassung als Geschäftsbank. Dieser Antrag wird das Bundesaufsichtsamt für das Bankwesen sicher irritieren - verhindern wird es die Bankgründung letztlich aber nicht können. Irritiert reagieren werden noch andere, vor allem der genossenschaftliche Prüfungsverband, weil diese Bank als Genossenschaftsbank gegründet werden soll, wodurch die Spargelder der Öko-Bank über den Sicherungsfonds der Genossenschaftsbanken abgesichert sind, und den Öko-Bank-Sparkunden die Teilnahme am ,,freizügigen Sparverkehr" der Genossenschaftsbanken ermöglicht wird. Dies ist eine sehr wichtige Geschichte, gestattet es doch den Öko-Bank-Sparern, bei jeder Volksbank, Sparkasse oder Raiffeisenkasse das Öko-Bank-Sparbuch zu führen, d.h. Einzahlungen zu leisten und Abhebungen zu tätigen. Der Öko-Bank-Sparer hat also die Filiale vor Ort, die er braucht, ohne daß die Öko-Bank gezwungen wäre, gleich überall kostspielige Filialen selbst zu unterhalten. Mit dem genossenschaftlichen Prüfungsverband haben - habe ich mir sagen lassen - sowieso noch einige von uns ein Hühnchen zu rupfen. Die zu erwartende Verschleppung oder versuchte Verhinderung des Aufnahmeantrages der Öko-Bank-Genossenschaft könnte ein erster Punkt sein, einmal gemeinsam ernsthaft mit dem Dachverband der Genossenschaften umzugehen. So viel in Kürze zu den Zulassungsschwierigkeiten. Aber soweit ist die Sache noch lange nicht. Die Schwierigkeiten vorher liegen auf zwei Ebenen: die Beschaffung der 6 Mio. Einlagekapital, und die Entwicklung einer tragfähigen ,,Infrastruktur" für die Bank. Zunächst mal diesen letzten Punkt: Die Öko-Bank soll die Bank der Bewegung werden, und d.h. sie darf nicht von einigen Managern einfach in die Landschaft gepflanzt werden, sondern muß von einer möglichst breiten Basis entwickelt und kontrolliert werden. Die ,,Bank der Bewegung" soll also keine Bank für die Bewegung werden (das auch), sondern eine, die ,,Bewegung in die Bewegung bringt", d.h. Diskussionsprozesse in Gang setzt und aktives Engagement produziert und umgekehrt ihre konkrete Ausgestaltung über gerade diese Diskussionsprozesse erfährt. Die Öko-Bank also als ,,bewegte Bank", wie es Michael Makowski formuliert. Der Lieblingsgedanke der Stattwerke ist eine Öko-Bank, die über breite Diskussionsprozesse und verstärktes Engagement der Betroffenen und Interessierten vor Ort so dezentral ausgestaltet werden kann, daß das zentralistische Element sich auf rein verwalterische bürokratische Funktion beschränkt. Also: in Frankfurt zwar ,,die Zentrale" in Form des Computers und der Verwaltung, die lebendige Bank hingegen in den Regionen in der Form von sog. ,,Finanzkooperativen", ausgestattet mit weitreichender Vollmacht und Autonomie. Wie kann man sich das vorstellen? In den Regionen bilden sich Vereine, in denen sich alle die zusammenfinden, die Ernst machen wollen mit der Veränderung der Gesellschaft und erkannt haben, wie wichtig dafür ein autonomes Finanzierungsinstrument ist. Das sind sowohl Kapitalgeber als auch die potentiellen Kreditnehmer (d.h. die Betriebe), es sind Leute ,,vom Fach" (Banker und Betriebsberater) und es sind Vertreter der relevanten politischen Strömungen. Diese Vereine leisten zweierlei: Sie bringen Spenden- und andere Gelder auf als Betriebskapital für eine GmbH, die sie zu 100% besitzen. Sie führen die Diskussion um Vergabekriterien, die derjeweiligen Region angemessen sind. Sieben oder mehr solcher Finanzkooperativen gründen mit den Geschäftsanteilen ihrer GmbH's dann die Öko-Bank-Genossenschaft. Ein fachlich qualifiziertes Mitglied der Finanzkooperative wird nunmehr umgekehrt von der Öko-Bank eG mit Prokura ausgestattet, ist also formal Angestellter der Bank, womit die rechtliche Seite der Angelegenheit sichergestellt ist. De facto aber - das dürfte klar geworden sein - ist dieser Prokurist seit Jahren eingebunden in die Diskussion der Region, in der er arbeitet. Er steht genau dort unter Kontrolle und Rechtfertigungszwang. Ich muß sagen, daß ich mit dieser Vorstellung ausgesprochen sympathisiere und hoffe, daß sie nicht auf rechtliche Verhinderungsgründe stößt oder allzu große Schwierigkeiten in der Handhabung auftreten. Initiativen zur Gründung solcher Finanzkooperativen werden derzeit vorbereitet oder schon konkret angegangen von einigen der regionalen Netzwerke. In der Zwischenzeit und damit komme ich zum anderen großen Problem - arbeitet der in Frankfurt gegründete Verein Freunde und Förderer der Öko-Bank e. V. weiter, bis die Finanzkooperativen existieren und das Konzept auf rechtliche und praktische Durchführbarkeit hin überprüft worden ist. Es geht ganz zentral um das Aufbringen der 6 Mio. Mark, des erforderlichen Eigenkapitals zur Bank-Gründung, die in Anteilen von 100 Mark auf ein Treuhandkonto gesammelt werden. 6 Mio. Mark - das ist immens viel (der Herstatt gehört dafür geprügelt), und doch heißt es, auf den Kreis der bundesweit zu Interessierenden bezogen, auch wieder nicht so viel. 60.000 Personen, die sich mit 100 Mark beteiligen oder 30.000 mit 200, und der Käs' ist gegessen. Das Problem besteht darin, diese 30.000 oder 60.000 überhaupt zu erreichen, um ihnen die Idee nahebringen zu können. Werbung über Zeitungen ist teuer und der Versand der Informationsmaterialien, von zwei oder drei Stellen aus bundesweit, verschlingt Unsummen. Außerdem ist es mit nur schriftlichem Info-Material nicht getan. Dazu gehört unbedingt auch die lebendige direkte Diskussion am Ort. Hier liegt ein gut Stück Hoffnung nach wie vor darin, daß ihr alle aktiv werdet. Eine erste flüchtige Sammlung von Adressen für den WANDELSBLATT-Versand hat schon alleine über 2.000 Betriebe ,,gebracht", darunter mehr als die Hälfte Läden. Ob Naturkostläden, Buchläden, 3.Welt-Läden, Boutiquen, Cafes, Kinos, Kneipen - ihr alle habt Publikumsverkehr und die meisten von euch haben längst intensivere Kontakte mit ehemaligen ,,Nur-Kunden" hergestellt. Wenn ihr diese Kontakte jetzt der Bewegung - euch recht unmittetbar selbst also - zur Verfügung stellt, wenn ihr bei euch die Diskussion um die Bankgründung und die Notwendigkeit der Eigenkapitalsammlung führt, dann ist dies der beste und effektivste Weg, mit dieser Sache zum Ziel zu kommen. Der beste deswegen, weil es der Bank nur gut tun kann, wenn ihre ursprünglichen Kapitalgeber aus dem unmittelbaren Umfeld der Betriebe kommen. Das wird viele Diskussionen, die später zu führen sind (Risikobereitschaft der Bank, Entwicklung von Kriterien besonderer Förderungswürdigkeit, d.h. Zinsverbilligung etc.) erheblich vereinfachen. Unmittelbares Ergebnis der Gespräche zwischen Stattwerke regionalen Netzwerken und dem Öko-Bank-Freundeskreis bei der Projektmesse war die Entscheidung, diesen Verein Freunde und Förderer so bald wie möglich zu dezentralisieren, d.h. zu regionalisieren. ![]() Verein Freunde + Förderer der
Ökobank e.V
Anzeige der Ökobankinitiative in Wandelsblatt Oktober 1984 Der oben formulierte Anspruch ließ sich ab 1988 (kurz vor Gründung der Bank) nicht durchhalten. Die Ökobank ging ihre eigenen Wege bis zum Ende ... (23.8.2000) |
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