Monatszeitung für Selbstorganisation
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RECHTLICHE PROBLEME IN UND MIT KOLLEKTIVENMan versteht sich ja so gut ...Wenn in Kollektiven ein Bereich im Argen liegt, dann ist es neben der fehlenden sozialen Absicherung der Bereich des Rechts. Spätestens nach der Firmengründung ist die Lust vergangen, sich mit Rechtsproblemen herumzuschlagen, zumal oft noch ein Anwalt von Nöten ist und dieser hin und wieder noch Geld kostet. Spätestens aber, wenn ein Kollektivmitglied einsteigt oder ausscheidet, wenn es Probleme mit Lieferanten oder Kunden gibt oder im Kollektiv der große Krach angesagt ist, dann ist es mit dem "sich ja so gut verstehen" nicht selten aus. Neben den traditionellen gesellschaftsrechtlichen Regelungen mangelt es an rechtlichen Vereinbarungen, die Lösungsmöglichkeiten für diese Fälle vorsehen und bürgerliche Gerichte außen vor lassen. Dies gilt sowohl für das Innenverhältnis von Kollektiven, wie auch für das Außenverhältnis. Die Gefahr bei diesen Auseinandersetzungen liegt zum einen darin, daß plötzlich lang gehegte Ansprüche über Bord geworfen werden und zum anderen intern regelbare Differenzen nach außen getragen werden. Von Harald Deerberg, Bremen Der GesellschaftsvertragFür das herrschende Recht gilt, daß sich aus der Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages ergibt, daß die Grundlage ein gegenseitiges Treueverhältnis der Gesellschafter untereinander ist, bei dem die Sonderinteressen der einzelnen Gesellschafter sich dem Gesamtinteresse unterordnen müssen. Dieser gesellschaftsrechtlichen Konzeption liegt aber der Grundgedanke des traditionellen Unternehmens zugrunde. Hierunter wird verstanden, daß die Intension des Gesellschaftsrechts die Interessenregelung nur auf Unternehmerseite, also unter wenigen, stattfindet. Für die Beschäftigten, also die Nicht-Gesellschafter, gelten im herrschenden Recht individual- und kollektivrechtliche Regelungen. Da aber der Begriff "selbstverwaltetes Unternehmen" impliziert, daß es in diesem Unternehmen keine, oder wenn, nur aus haftungs-, steuer- oder versicherungstechnischen Gründen, Arbeitnehmer im traditionellen Sinn gibt, muß der Gesellschaftsvertrag besonderen Ansprüchen gerecht werden. Er muß demokratische, kapitalneutrale Entscheidungs- und Mitwirkungsstrukturen garantieren können, für alle geltende Informations- und Kontrollmöglichkeiten regeln, den gleichberechtigten Status jedes Kollektivmitgliedes manifestieren und besondere Ansprüche, die sowohl das Innen- wie auch Außenverhältnis betreffen, festschreiben können. Das sind die Mindestvoraussetzungen, die in traditionellen Verträgen und ihren Vorlagen nicht zu finden sind. Weiterhin unabdingbar sind eindeutige, klare Regulatorien, was die Erweiterung des Kollektivs und auch das Aussteigen Einzelner betrifft. Da die wenigsten Unternehmer auf kapitalneutraler Basis arbeiten, treten besonders an diesen Punkten die meisten Auseinandersetzungen auf, insbesondere beim imaginären Firmenwert, eventuellen Einlagen und Abfindungen. Der am meisten vernachlässigte Punkt scheint mir die Schiedsgerichtsvereinbarung zu sein, die eine außergerichtliche Einigung interner Auseinandersetzungen zwingend vorschreibt. Obwohl selbst von Handwerkskammern empfohlen, wird bei Kollektivbetrieben oft darauf verzichtet, obwohl die Ausschaltung bürgerlicher Gerichtsbarkeit im Interesse aller sein sollte. Bei Kollektiven, die zwar selbstverwaltet arbeiten, aber aus verschiedensten Gründen "Arbeitnehmer" beschäftigen, kommen zusätzlich noch arbeitsrechtliche Problematiken hinzu. Arbeitsrecht und SelbstverwaltungWir messen die selbstverwalteten Betriebe an ihren Ansprüchen und ihrer Umsetzung in die Realität und nicht an der Rechtsform, die aufgezwungen ist. Bislang hat man sich aber wenig Gedanken darüber gemacht, was bei Auseinandersetzungen zwischen Kollektivmitgliedern die Gesellschafterstatus haben und den Mitgliedern, die offiziell Arbeitnehmer sind, passieren kann und wie es sich eventuell regeln läßt. Selbstverwaltung heißt, Gleichstellung aller im Kollektiv tätigen Menschen, unabhängig von ihrem rechtlichen Status. Nur dieses kann allzu leicht in Vergessenheit geraten, wenn es kracht. Dann greifen in der Regel nur die individualrechtlichen Regulatorien für den "Arbeitnehmer" und die stellen ihn natürlich alles andere als dem "Unternehmer" gleich. Das gleiche gilt auch für die andere Variante, wenn nämlich die "Arbeitnehmer" sich eines Gesellschafters "entledigen" wollen. Der ideologische Anspruch der Gleichstellung ist hierbei sehr schnell vergessen und wenn es hart auf hart kommt - und das soll ja schon vorgekommen sein - dann greift nur noch das herrschende Recht, was nicht unser Recht ist, unbestritten zumindest, was den Selbstverwaltungssektor angeht. AGB, Dienst- und WerkvertragsrechtDie ersten beiden Punkte betrafen vertragliche Regelungen, die das Innenverhältnis des Kollektivs betreffen. Was aber ist mit dem Außenverhältnis? Gemeint sind die Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen, Dienst- und Werkverträge. Auch in diesem Bereich ist bislang viel vernachlässigt worden und das hat schon so manchem Kollektiv Geld gekostet. Wer meint, innerhalb der linksgrün-alternativen Scene ist man unter sich und dort ist alles ohne Verträge regelbar, der irrt meiner Meinung nach gewaltig. Nicht umsonst berichtet so manches Kollektiv, daß der beste Kunde immer noch der "Normalbürger" und nicht die Scene ist. Viele Auseinandersetzungen ließen sich vermeiden, wenn es Liefer- und Geschäftsbedingungen gäbe, ebenso, wie korrekte Dienst- und Werksverträge. Aber ich begreife diese Regulatorien nicht nur als Schutz, sondern andersherum genauso als Schutz für die Kunden, die Anspruch auf korrekte Vereinbarungen haben. Kollektivbetriebe und RechtSo ärgerlich, wie es auch sein mag, sich mit dem herrschenden Recht und seine Benutzung und Anwendung für uns herumschlagen müssen, so notwendig halte ich es, es zu tun. Bevor sich jedoch jedes Kollektiv selbst hierüber den Kopf zerbricht oder teure Anwälte einschaltet, sollte überlegt werden, inwieweit es möglich ist, zusammen mit den Netzwerken kollektiv diese Bereiche einmal anzugehen. Es gibt noch keine Patentrezepte und man wird noch Erfahrungen sammeln müssen, nur man muß irgendwann einmal damit anfangen. Die angesprochenen Punkte waren auch Hintergrund der Gründung einer Arbeitsgruppe ,,Recht" in der Arbeitsgemeinschaft selbstverwalteter Betriebe in Bremen. Die ursprünglich von zwei juristisch Interessierten gegründete Arbeitsgruppe hat inzwischen von außerhalb der Arbeitsgemeinschaft viel Zuspruch erhalten und juristisch ausgebildete Personen haben ihre Unterstützung zugesagt. Man wird sehen, ob es eine theoretisch arbeitende Arbeitsgruppe bleibt. Die AG hofft jedoch, daß die Kollektivbetriebe sich einmal Gedanken über die Argumente machen und bereit sind, in Zusammenarbeit mit dieser AG die Probleme anzugehen. Vielleicht regt dieser Artikel auch in anderen Regionen einmal Menschen an, diesen Bereich ernsthaft zu diskutieren. |
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