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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Interview mit Klaus Viehmann

Den Mauern einen Sinn geben

Klaus Viehmann ist einer der Herausgeber des Buches "hoch die kampf dem", die hier den Gruppennamen HKS 13 haben. HKS 13 das ist im "Druckerlatein" die Bezeichnung für eine ganz bestimmte rote Druckerfarbe, die auf sehr vielen der linken Plakaten vorkommt.

Knobi: Im Buch wird kurz angesprochen, dass du das Plakat zum Tod von Ulrike Meinhof "Es gibt viele Arten zu töten..." geklebt hast. - Anfang der 80er haben wir vom Kneipenkollektiv das im Übrigen nachdrucken lassen und für die Knastkasse verkauft, ein immer noch sehr eindrucksvolles Plakat. - Wie war das damals, hast du Lust darüber etwas zu erzählen?

meinhof.jpg (23103 Byte)Klaus: Das war im Mai 1976 gewesen, ein paar Wochen später bin ich aus anderen Gründen "untergetaucht" und war dann die 80er Jahre über wegen Mitgliedschaft in der Bewegung 2.Juni und anderem im Knast. Nach der Meldung vom Tod Ulrike Meinhofs hatten sich in der ESG in der Westberliner Carmerstraße Leute aus der damaligen Berliner Roten Hilfe, aber auch viele andere Linke und die vom Komitee gegen die Folter - vergleichbar mit den späteren Antiimps - getroffen. Es gab von den "undogmatischen" Linken schon diesen Plakatentwurf, der binnen weniger Stunden in einer linken Druckerei in einer 1.000er Auflage gedruckt wurde. Ein anderes, kleineres Plakat, zeigte Ulrike beim Hofgang im Knast Köln-Ossendorf, an den Text kann ich mich nicht mehr entsinnen. Über "unser" Plakat gab es ein wenig Streit, weil manche meinten, es werde nicht explizit von Mord gesprochen, wir würden uns nicht eindeutig verhalten. Ich fand und finde den Text aber richtig. Übrigens aus einem Gedicht von Bertolt Brecht, manche denken heute, der sei von Ulrike selbst.

Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, besteht HKS 13 aus Sebastian Haunss, Markus Mohr und dir. Ihr lebt nicht in der selben Stadt, war jetzt der Gruppenname eher für dieses Buch-Projekt gedacht, oder versteht ihr euch darüber hinaus als Gruppe?

HKS 13 ist einfach nur ein Name für die Herausgabe dieses Buchs, den wir ganz treffend und witzig fanden. Hätten wir keinen Herausgeber, würde außerdem die Deutsche Bibliothek den Verlag nerven, weil die in ihrer Datei halt ein Feld für AutorIn bzw. Herausgeber haben und das sonst nicht in ihren Computer eingeben können - wir mussten bei einem andern Buch schon mal jemanden erfinden. Aber zu deiner Frage: wir kannten uns schon vorher, hatten unterschiedlich viel miteinander zu tun, haben aber beim Plakatbuch zum ersten mal alle zusammengearbeitet. Neben dem gemeinsamen Redigieren und Betreuen der Texte hat sich Sebastian in erster Linie um die Sammlung und Digitalisierung der Plakate gekümmert, Markus konnte als wandelndes Bewegungslexikon zu den meisten Plakaten die Geschichten liefern, die sich dann in den Bildunterschriften niedergeschlagen haben und ich habe das Buch noch von der Verlagsseite aus betreut. Gemeinsam haben wir die Artikel bei GenossInnen "bestellt" und dann überarbeitet, das waren oft kontroverse, aber immer ergiebige Diskussionen. Die Einleitung haben wir dann zusammen geschrieben. In Zukunft werden wir uns weiter um dieses Buch, aber auch ein wenig um den Aufbau eines Plakatarchivs kümmern und vielleicht bei einem anderen Buchprojekt wieder zusammensitzen, mal sehen.

Mit 39.80 DM ist das Buch, obwohl es natürlich auch viel Geld ist, immer noch ziemlich preiswert. Ist dies nicht ein finanzielles Wagnis für die Verlage, denn Druck, Verarbeitung und Gestaltung sind ja doch sehr aufwendig, was für kleine Verlage, die meist auch noch unterkapitalisiert sind?

Das ging nur, weil wir praktisch die gesamten technischen Arbeiten wie Bildbearbeitung, Scannen, etc. selbst gemacht haben. Das alles und die ganze Vorbereitung, also Reisen zu Archiven, das Fotomaterial und die Gerätschaften für die Digitalisierung der Plakate waren nur durch unbezahlte Arbeit, privates Geld und Reste anderer Projekte vorfinanzierbar. Löhne hätten das Buch wenigsten 68 DM kosten lassen. Die DruckerInnen haben sehr günstig gearbeitet und einige linke Zeitungen haben uns durch Vorabdrucke - also unbezahlte Werbung - unterstützt. Die Druckrechnung ist durch einen privaten Zwischenfinanzierungskredit gesichert, aber wir müssen fast alle der 3.000 gedruckten Bücher auch verkaufen, um das wieder reinzukriegen. Der Aufruf im Buch, das Buch als Bewegungsprojekt zu begreifen und entsprechend zu unterstützen, ist sehr ernst gemeint - andernfalls können sich solche Bücher nur noch die leisten, die genug Geld haben, aber wir wollten gerade auch Infoläden und Jugendliche erreichen.

Ihr habt euch ja mit dem Buch quasi eine Sisyphusarbeit aufgehalst, nicht nur, dass das Zusammentragen von 3.000 Plakaten Arbeit gemacht hat, sondern jetzt werden ja wohl noch Nachzügler kommen - ich habe z.B. auch noch welche - wie kann also die Arbeit eines solchen Plakat-Archives aussehen?

Sammeln, sortieren, in eine Datenbank aufnehmen, fotografieren, digitalisieren, auf CD brennen. Das wäre die Technik, natürlich wäre es vor allem aber ein politisches Projekt und die Plakate müssen allgemein zur Verfügung stehen, entweder über eine Internetseite, über regelmässige "Update-CDs" oder sonstwie. Schön wäre eine Diskussion über die gesammelten Plakate und wenn sich Leute die Originale oder Daten ansehen können, am besten, um selber neue - und gute - Plakate zu machen. Für das Hamburger Plakatarchiv im Archiv der sozialen Bewegungen, was in der Roten Flora beheimatet ist, laufen zur Zeit Spendenanträge, die sind aber noch nicht entschieden. Denn so ein Archiv ist nicht billig und braucht viel Arbeitszeit.

Bei den politischen wie auch theoretischen Beiträgen fiel mir eine Sache besonders auf: Die AutorInnen sind fast alle unter 40 Jahren, also relativ jung - im Gegensatz zu uns beiden -, dafür sind aber die Beiträge zum Teil ziemlich abgeklärt. Habt ihr euch die AutorInnen nach besonderen Kriterien ausgesucht?

Wir haben nach politisch engagierten AutorInnen gesucht, die zu Plakaten, bzw. zu den visuellen Ausdrucksformen z.B. der Internationalismus- oder Frauenbewegung bereits etwas diskutiert oder geschrieben hatte. Und wir haben Leute gefragt, die zwar ungern Texte verfassen, aber viel von Grafik verstehen, PlakatmacherInnen eben. Abgeklärt zu sein ist sicher kein Privileg der über 40-jährigen, die über 25-jährigen sind das heute auch ... Wichtig war uns und allen AutorInnen, kein Buch zu machen, dass die autonomen Bewegungen hochleben lässt und unkritisch gegenüber den eigenen (Plakat-)Erzeugnissen ist. Ein glattes Buch ohne Reibungspunkte würde wenig Nutzen haben, und wir wollen ja alle, dass wenigstens "unsere" Plakate besser werden in einer politisch eher schlechter werdenden Situation. (Denk bitte nicht, wir sähen Plakate als das linke Heilmittel - aber sie sind schon wichtiger, als mensch manchen ansieht).

EA.jpg (31251 Byte)Dann fiel mir noch allgemein auf, wenn mensch so geballt linksradikale Plakate auf einen Haufen sieht, dass sie doch im direkten Vergleich zu den Werbeplakaten des Kapitals stehen, mal abgesehen von den verschiedenen technischen Aufwand, der sich ja im Übrigen immer mehr angleicht. Da sieht z.B., dass in dem Buch aus grafischer Sicht hochgelobte Plakat vom Berliner Ermittlungsausschuss, doch genauso aus wie Werbung für verschiedene Dosensuppen, wenn die entsprechenden Unterschriften nicht wären. Wer will da denn wem was vormachen? Oder anders gefragt: Wieviel Design braucht das politische Plakat?

banden.jpg (95971 Byte)Im Buch ist ein schöner Artikel von sandy k., wo es genau um diese Frage geht. Auch im Artikel von Kerstin Brandes über Frauenplakate werden ein paar grundsätzliche Reflexionen über Bilder und das, was sie aktivieren wollen/sollen angestellt. Dass Werbefuzzis sich auch Gedanken über das Wirken von Plakaten machen, ist zwangsläufig, aber da ist doch der Unterschied, für was. Umgekehrt schadet linken Zwecken eine entsprechende Gestaltung, sprich Verbreitung, grafisches Können und Wissen über subtile Wirkungen von Bildern im gesellschaftlichen Kontext ganz bestimmt nichts. Ich glaube, dass in der linken Geschichte 99% der Redezeit Texte betraf und nur 1% Bilder. Ein paar Prozent mehr sind in einer visualisierten Welt sicher angebracht.

Manchmal wurden in dem Buch - auch zurecht - einige Plakate heftig kritisiert. Was glaubst, wird euer Buch jetzt bewirken, dass mehr Leute Plakate, und vielleicht 'bessere' machen werden, oder ob das vielleicht auch mehr abtörnend wirken könnte?

Manche Plakate haben uns beim Auspacken der Postrollen wirklich erschauern lassen. (Und manche waren ganz toll!) Bei manchen merkt mensch, dass sie nicht "funktionieren", dass es eher große Flugblätter sind, die mit dem Format, den Farben, den Fotos und der Zusammenstellung nichts produktives anfangen können. Ganz klar: Vor ein paar Jahren hätten wir Plakate weniger genau und weniger kritisch betrachtet, aber wir lernen ja ständig dazu. Abtörnend soll das Buch gerade nicht sein, es wird ganz bestimmt viele für das Plakatemachen interessieren und mit dem Buch und der CD gibt es jetzt reichlich Anschauungsmaterial.

Danke für das Gespräch. Ich hoffe, dass sich euer Buch gut verkauft, und wir bald mehr von eurem Archiv-Projekt hören werden. 

Das Interview führte Jochen Knoblauch für CONTRASTE

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 07. August 2008