Zivilgesellschaftliche
Alternativen zum Dienstleistungsabkommen der WTO (1)
Wem dient GATS?
Ziel des GATS ist es, weltweit den Weg für
die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen freizumachen. Nichts Öffentliches
ist sicher vor GATS - Erziehung, Gesundheitswesen, Sozialeinrichtungen,
Postdienst, Museen und Büchereien, öffentlicher Verkehr - alles wird den
Unternehmensinteressen erschlossen werden. GATS ist gut für Unternehmensprofite
und eine schlechte Nachricht für die Menschen.
"Im Grunde wird der GATS/WTO-Prozess
nicht aufhören, bevor Ausländer endlich beginnen, wie Amerikaner zu denken,
wie Amerikaner zu handeln und - am wichtigsten - wie Amerikaner
einzukaufen", so ein hochrangiger US-amerikanischer WTO-Funktionär.
Von Christoph Strawe, Stuttgart - Kennen Sie
GATS? - Eine Umfrage würde bei über 99% der befragten Bürger sicher nur ein
Kopfschütteln hervorrufen: "Nie gehört". Und doch handelt es sich
bei GATS um etwas, das tief eingreifen wird in unser aller Leben, viel tiefer
als die Ereignisse auf jenen politischen Entscheidungsebenen, auf die unsere
Aufmerksamkeit von den Nachrichtenredakteuren gelenkt wird. Es sei denn, es
gelingt uns, Alternativen zu diesem "Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen" durchzusetzen, über das im Rahmen der
Welthandelsorganisation WTO verhandelt wird (GATS = General Agreement on Trade
in Services).
Durch die Gründung der WTO 1995 wurde das bereits durch das GATT (2)
proklamierte Prinzip des freien Warenverkehrs um die Liberalisierung des
Handels mit Dienstleistungen (GATS-Abkommen) und die Ordnung der kommerziell
relevanten Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) ergänzt. (3)
GATS ist Bestandteil der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs systematisch
vorangetriebenen und mit dem Fall der Mauern 1989 dramatisch beschleunigten
Globalisierungsentwicklung, also der weltweiten Vernetzung der Gesellschaften
und der vollen Herstellung des Weltmarkts, bei unerhörter Mobilität des
Kapitals, was zur weltweiten Konkurrenz der Standorte geführt hat.
Der ehemalige Direktor der WTO Renato Ruggiero hat etwas durchaus
Alarmierendes gesagt: "Das Dienstleistungsabkommen GATS umfasst Bereiche,
die noch nie zuvor als Handelspolitik angesehen wurden. Ich vermute, dass weder
die Regierungen noch die Geschäftswelt die volle Reichweite und den Wert der
eingegangenen Verpflichtungen erkannt haben." (4)
Das Abkommen bezieht in der Tat tendenziell alle Tätigkeiten, die bisher als
nicht-kommerziell ("Non-Profit-Sektor") betrachtet wurden, in die
wirtschaftliche Gütersphäre ein. Diese wieder soll strikt im Sinne der
Ideologie des Neoliberalismus geordnet werden.
Gesundheits- und Bildungswesen, die Medien, Pflege und Altenbetreuung:
nichts, was nicht zum privatwirtschaftlichen Geschäftszweig erklärt würde.
Die Frage "cui bono" ist nicht allzu schwer zu beantworten: Seit
einigen Jahren wird über den sogenannten sechsten
Kondratieff-(Konjunktur)Zyklus gesprochen (5), in
dem die neuen Megatrends durch wachsenden Bedarf im Bereich Gesundheit, Umwelt
und Bildung gesetzt werden. Wenn es gelingt, diese Wachstumsfelder in die Sphäre
der Shareholder-Value-Ökonomie zu ziehen, winken gewaltige Profite für
Unternehmen in der Medizin- und Biotechnologiebranche, aber auch im
Umweltbereich (Gewinnung neuer Energien, Abfallentsorgung etc.).
Wieweit es von diesem Grundsatz, dass alle Dienstleistung
privatwirtschaftlicher Natur sei, geduldete Ausnahmen geben wird, ist durchaus
unklar, auch wenn Regierungsvertreter beschwichtigend auf solche möglichen
Ausnahmen verweisen. Klar ist dagegen, dass es Mechanismen geben soll, welche
die Einhaltung der GATS-Regeln notfalls erzwingbar machen.
Maude Barlow hat Recht, wenn Sie in Ihrem Artikel "Die letzte
Grenze" ("The Ecologist", Februar 2001 (6))
schreibt, dass damit das Ende der Idee gemeinnütziger Dienste bevorstehen könnte.
In der britischen Zeitschrift "The Observer" vom 15. April des Jahres
erschien ein Artikel, in dem aus einem vertraulichen Dokument des
WTO-Sekretariats zitiert wird. Demzufolge ist die Schaffung einer
internationalen Agentur geplant, die gegenüber Entscheidungen einzelner Staaten
oder Parlamente über Umwelt, Gesundheit, Bildung etc. ein Vetorecht haben soll,
sofern diese Entscheidungen Verstöße gegen die durch GATS festgeschriebene
Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen darstellen. Dies sei, so der
"Observer", offensichtlich ein Plan, die "altmodische politische
Idee der Demokratie" zu beseitigen.
Angesichts solcher Entwicklungen sind große Teile der organisierten
Zivilgesellschaft wach geworden. Im Internet zirkuliert eine Fülle von
Informationen über die Gefahren von GATS, es gibt Aufrufe gegen das Abkommen.
So wurde ein Appell "Stop the GATS Attack" bereits von 430
Nicht-Regierungs-Organisationen aus 53 Ländern unterzeichnet. (7)
Vielleicht gelingt es, gegen GATS eine ähnliche breite Bewegung zu entfachen
wie jene, welche das internationale Investitionsschutzabkommen MAI zu Fall
brachte und diejenige, die zum Scheitern des WTO-Gipfels von Seattle führte.
Fortsetzung auf Seite 7