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Aus Wandelsblatt Nr. 1,
Oktober 1984
Ein
Markenzeichen für Kollektivarbeit?

Schnell erkennen
Beim Militär und beim Adel
heißt es Wappen. Die Industrie nennt es Markenzeichen oder Gütesiegel. Die Funktion ist
immer die gleiche: Schnelles Erkennen der Zugehörigkeit, wo sonst eine Unterscheidung
nicht nach äußeren Merkmalen möglich wäre.
Die Woll- und Lederindustrie
schufen sich Gütesiegel, als die Kunstfasern und Folien von echter Wolle oder Leder nicht
mehr für den Laien unterscheidbar waren.
Stehen die traditionellen
Markenzeichen für die tatsächliche oder vermeintliche stoffliche Qualität (auch
Perfektion, Zuverlässigkeit, Ausgereiftheit) eines Produktes, so deutet sich schon mit
dem Markenzeichen für Umweltschutzpapier eine andere Entwicklung an: gefragt ist die
Umweltverträglichkeit des Produktionsprozesses des Produkts. Dafür sind die Käufer z.Z.
sogar noch bereit, gravierende Nachteile der stofflichen Eigenschaften in Kauf zu nehmen.

Gibt es alternative
Produkte?
Die alternative oder
kollektive Scene hat in den letzten 15 Jahren eine Vorreiterrolle bei etlichen Produkten
gespielt. Vor den großen Verlagen entdeckten Kleinverlage die neue und alte
linke" Literatur. Bei der Frauen- und Umweltliteratur war es ebenso. Jede
Neuentwicklung war der Start für eine ganze Reihe kleiner Betriebe. Auch Müsli, Biobrot,
naturfarben gefärbte Wolle, Umweltschutzpapier begannen ihren Markteinstieg in
alternativen Kleinbetrieben.
Doch überall sind
inzwischen die großen kapitalistischen Verlage, Großbäckereien, Kaufhäuser nachgezogen
und haben mit Markt/Vertriebsmacht, reichlich Kapital und teilweise auch besserer
Qualität den neuen Markt weitgehend übernommen. Verlage ebenso wie Biobäcker bekamen
diese Entwicklung teilweise als massive Umsatz- und Ertragsverluste zu spüren.

Interesse an Abgrenzung und
Erkennbarkeit
Gleichzeitig wächst das
öffentliche Interesse für alternative Produkte" und alternative
Produktion" und damit auch die kaufkräftige Nachfrage.
Das einzige dauerhafte
Unterscheidungsmerkmal sind dabei die sozialen Bedingungen, unter denen unsere Produkte
entstehen (und die mit Streit und Fluktuation enorme Entwicklungskosten verschlingen).
Wenn auch noch meist
schlecht definiert und unscharf, so sind wir doch dabei, soziale Produktionsbedingungen zu
entwickeln, die von kapitalistischen Betrieben nur unter Aufgabe von Profitinteressen und
Privateigentum übernommen werden könnten:
Unser gemeinsames Eigentum
an den Betrieben ist an die Mitarbeit gebunden und nicht erblich oder veräußerbar. Es
ist damit kein Privateigentum an Produktionsmitteln mehr, sondern ein Produktiveigentum.
Und auch wenn viele
Kollektivisten immer noch ihre Arbeitskraft als Lohnarbeiter an ihr gemeinsames
kollektives Kapital verkaufen, so richtet sich doch der kollektive Lohn letztlich nach dem
kollektiv erwirtschafteten Arbeitsertrag, während die Produktion von Profit für den
betrieblichen Alltag und die Existenz völlig unerheblich ist.
Produktiveigentum statt
Privateigentum, kollektiv-selbständige Arbeit statt lohnabhängiger Arbeit und damit
einhergehende kollektive Entscheidung über die Produktion sind von kapitalistischen
Betrieben nicht übernehmbar. Sie könnten damit für uns zu einem dauerhaft sicheren
Unterscheidungsmerkmal werden, durch welches sich auch unsere Produkte unnachahmlich
unterscheiden, wenn es uns gelingt, diese sozialen Bedingungen auch im Bewußtsein der
Käufer als eine wesentliche Eigenschaft unserer Produkte (und Dienstleistungen) zu
verankern.

Derzeit noch Wirrwarr!
Erkennbarkeit ist aber
derzeit kaum gegeben. Schlägt man z.B. verschiedene Stattbücher auf, so ist dort
beispielsweise bei grafischen Betrieben eine bunte Sammlung von ganz normalen
Kleinbetrieben, die z.T. schon seit Jahren am linken Markt verdienen und tatsächlichen
Kollektiven genannt.
Etliche dieser Klein- und
Mittelbetriebe werden von Leuten mit Scene-Vergangenheit betrieben, die dementsprechend
die gleiche Sprache sprechen wie viele ihrer Kunden. Gerade weil diese Betriebe aber nicht
die hohen Kosten sozialer Neuentwicklung haben, können sie oft viel schneller wachsen und
bedrohen damit z.T. die Entwicklung kollektiver Betriebe.
Ein erheblicher Teil der
Aufträge von den Grünen z.B. geht in solche Betriebe, die alternative Entwicklung
absahnen, ohne daran teilzunehmen. Dabei kann man davon ausgehen, daß der überwiegende
Teil der grünen Wähler und Mitglieder durchaus an einer gezielten Vergabe an
kollektiv-geführte Betriebe interessiert ist.
Und so, wie es für einige
Verlage bereits heute wirtschaftlich sinnvoll erscheint, als zusätzliches
Verkaufsargument ihre Bücher auf Recycling- oder Umweltschutzpapier zu drucken (z.B. die
Reihe : Fischer-Alternativ), so könnte es auch ein zusätzliches Verkaufsargument werden,
die Bücher bei kollektiven Druckereien statt z. B. bei der Fuldaer Verlagsanstalt zu
drucken (wobei allerdings noch einige Qualitäts- und Finanzierungsprobleme gelöst werden
müßten).

Übersichtliche
Kennzeichnung
kollektiver Produktion?
Aus dem Blickwinkel der
Konkurrenz, des Schutzes unseres Marktes spricht einiges dafür, ein Markenzeichen für
Produkte aus kollektiver Produktion zu schaffen.
Bei der Frage der
Realisierung tauchen natürlich reichlich Probleme auf, die bei einem Treffen während der
Projektmesse über diese Frage nur andiskutiert werden konnten. Ich will einige in der
Folge aufzählen:
- Definition: Was ist ein
Kollektivbetrieb? Versuchen wir, eine möglichst eindeutige (auch juristische) Definition
zu finden, die jedem Betrieb, der diese erfüllt, das Recht gibt, das Zeichen zu führen,
oder entscheiden letztlich die Eigentümer des Zeichens - ein zu gründender Verein
Kollektives Markenzeichen" - darüber, wer es - nach Überprüfung führen
darf?
- Wie hoch muß der
Wertschöpfungsanteil kollektiver Arbeit an einem Produkt sein, damit es als
Kollektiv-Produkt" gekennzeichnet werden darf?
- Brauchen wir eine aufwendige
Organisation und Verwaltung, um ein solches Markenzeichen propagieren und schützen zu
können?
- Welche sonstigen Qualitätsmerkmale
außer kollektiver Produktion müssen beachtet werden, z.B. wie umweltfreundlich muß der
Produktionsprozeß der Betriebe sein und wie gut die Qualität und die Pünktlichkeit auch
nach den ganz normalen Anforderungen? denn letztlich wäre es Unsinn, ein solches Zeichen
mit erheblichem Werbeaufwand zu fördern, wenn es innerhalb kurzer Zeit mit dem
verbreiteten Ruf alternativer Produktion verbunden ist: schlampig und unzuverlässig.
Constantin Bartning
Wahrscheinlich wird es noch
vor den Wintertagen im Spätherbst für die Markenzeichendiskussion ein überregionales
Treffen geben. Bitte meldet Euch daher, wenn Ihr an einem solchen teilnehmen wollt.

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