Monatszeitung für Selbstorganisation
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Die verschiedenen Gesichter der Anti-GlobalisierungsbewegungVon Kampagne zu KampagneEnde April 2001 zeigten diverse Gruppen wieder einmal ihre Mobilisierungsfähigkeit gegen die neoliberale Globalisierung, diesmal in Québec anlässlich des Wirtschaftsgipfels zur Errichtung der Free Trade Area of the Americas (FTAA). Über 30.000 Menschen demonstrierten gegen die geplante gesamtamerikanische Freihandelszone, während US-Präsident Bush erklärte, dass der Freihandel nicht nur allen zunehmenden Wohlstand bringe, sondern auch die Demokratie stärke. Heiko Wegmann, Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft BUKO - Bei der Ablehnung solcher Plattheiten dürften sich die ProtestiererInnen wohl einig sein. Bei weiter gehenden Fragen öffnen sich jedoch Gräben. Von rechten Heimatschützern u.ä. einmal abgesehen, lassen sich derzeitig vor allem drei Strömungen ausmachen, die sich auf verschiedene Weise mit der neoliberalen Globalisierung und ihren Institutionen auseinandersetzen. Dazu gehören einmal solche Nichtregierungs-Organisationen (NGOs), die zur herrschenden Politik grundsätzlich kaum Widersprüche haben. Sie setzen primär auf punktuelle Reformen, von denen die RegierungsvertreterInnen mittels ExpertInnenwissen, also durch das bessere Argument überzeugt werden sollen. Straßenprotesten begegnet man mit einer gewissen Vorsicht. Im besten Fall können sie die eigene Position stärken. Aber es besteht bei Straßenmobilisierung immer die Gefahr, dass diese unkontrollierbar werden und ins "Chaotische" abdriften. Dadurch könnte dann die langwierige Lobbyarbeit plötzlich bedeutungslos werden. Eine weitere Strömung ist vom Links-Keynesianismus gekennzeichnet. Sie setzt an der mangelnden Verteilungsgerechtigkeit des Systems an und fordert sozusagen einen starken (linken) Staat, der das Zeug hat, den Konzernen Einhalt zu gebieten. Netzwerke wie ATTAC (Vereinigung zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte), die Euromärsche (gegen Erwerbslosigkeit, ungesicherte Beschäftigung und Ausgrenzung) oder die französische Gruppe raisons d'agir um den Soziologen Pierre Bourdieu beziehen sich letztlich positiv auf den nur anders zu besetzenden Staat und verlieren so dessen Herrschaftsförmigkeit aus dem Blick. Die entscheidende Rolle des politischen Systems bei der Durchkämpfung neoliberaler Reformen erscheint so als historische Fehlentwicklung; das Problem liegt dem gemäß lediglich in einer konkreten, aktuellen Politik. Allerdings ist ihre Aktionsform im Allgemeinen wesentlich konfrontativer und Basisorganisierung wird als eigenes Ziel angesehen. Drittens ist das anti-institutionalistische Spektrum zu nennen, das sich einen konfrontativen Kurs auf die Fahnen geschrieben hat. Dessen Aktionen hatten wesentlichen Anteil am Erfolg der Protestaktionen gegen Tagungen internationaler Organisationen wie in Seattle und Prag. Unverkennbar ist jedoch, dass Parolen wie "Kill the WTO" und "Gegen Neoliberalismus" nicht im gleichen Maße fantasievoll sind wie die ausgerufenen Global Action Days und mehr Klarheit vorspiegeln, als vorhanden ist. Die basisdemokratische Vernetzung ist ein zentrales Ziel. Die Organisierung jenseits von Organisationen (so wird immer wieder darauf bestanden, dass "Peoples' Global Action" keine Organisation sei) lässt dabei offen, wie diese Vernetzung jenseits aktueller Kampagnen verstetigt werden kann. Schließlich unterliegen diese doch auch immer Konjunkturen: früher einmal bedeutete "Kampagne" Saison, Geschäftszeit. Während Kampagne auch "Feldzug" meinte, spielt sich ein wesentlicher Teil der heutigen "Formierung" von Protest in elektronischen und Lufträumen ab. Schließlich vollziehen alle drei Spektren bei ihrer Orientierung auf internationale Events die teilweise zu beobachtende Transnationalisierung von Staat und Ökonomie nach. Die folgenden beiden Artikel haben einerseits aktuelle Entwicklungen im Welthandel zum Thema. Gegenstand sind dabei die Tendenzen zur Deregulierung bei Dienstleistungen, verbunden mit der Privatisierung öffentlicher Dienste, und die fatalen Auswirkungen des internationalen Patentrechts, das Extraprofite schützt und den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten in Ländern des Südens stark behindert. Vorgestellt werden andererseits auch darauf bezogene Kampagnen mit ihren Forderungen und Begrenzungen. Der dritte Beitrag bezieht sich ausschließlich auf den Versuch verschiedener sozialer Bewegungen aus der ganzen Welt, sich zu vernetzen, ohne in die Fallen der Institutionalisierung zu laufen. Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 9 Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft
des BUKO (Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen) |
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